Vom Blockierer zum Antreiber

Von wegen "lahme Ente": Barack Obama hält unbeirrt Kurs. Im letzten Viertel seiner Regierungszeit setzt der US-Präsident seine Agenda auch ohne Kongress durch, wo immer das geht. Die republikanische Opposition blockiert sich trotz Mehrheit in beiden Kammern selbst.

Dass Obama seine Befugnisse nutzt, ohne länger auf Konsens zu warten, haben die Gegner sich gerade beim Klimaschutz selbst zuzuschreiben: Nicht einmal ihre Wissenschafts-Ausschüsse interessieren sich dafür, was Wissenschaftler zum Thema sagen - die Konservativen haben sich jedweder Mitarbeit verweigert. Wie schon bei der Gesundheitsreform und der Homo-Ehe werden sie nun von der Entwicklung überrollt.

Dabei sind Obamas neue Regeln keineswegs in allem so radikal, wie es scheint: Heute schon produzieren Amerikas Strom-Erzeuger über 15 Prozent weniger Treibhausgas als 2005. Der Ausstoß soll also unter dem "Clean Power Plan" langsamer sinken als bisher. Das ist fair angesichts der Tatsache, dass Einsparungen beim Ersatz von Kohle durch Erdgas künftig nicht mehr einfach gegengerechnet werden dürfen. Auch sonst waren die bisherigen Einschnitte einfacher zu erreichen als der Systemwandel, der jetzt angestoßen werden soll. Die Bundesstaaten und die Industrie bekommen mehr Flexibilität als ursprünglich geplant, dafür sind die Ziele ehrgeiziger ausgefallen. Staaten wie Kalifornien werden sie trotzdem mühelos übertreffen.

Für Obama ist die Initiative "der größte, wichtigste Schritt, den wir je zur Bekämpfung des Klimawandels unternommen haben" - eine beachtliche Aussage angesichts der Tatsache, dass ihm jetzt schon nicht nur massive Verbesserungen in der Autoindustrie zugeschrieben werden, sondern auch die Schließung von rund 200 Kohlekraftwerken aufgrund anderer Beschränkungen. Die Initiative ist fraglos einer der bedeutendsten Pflöcke im Kampf um Obamas Erbe. Sie ist aber auch außenpolitisch wichtig: Der "Clean Power Plan" ist ein zentraler Abschnitt auf dem Weg zu den Klimaschutzzusagen der USA. Er gibt Unterhändlern im Vorfeld des Pariser Klimagipfels Argumente an die Hand, mit denen sie andere Regierungen unter Druck setzen wollen, nun ebenfalls ihren Beitrag zu leisten.

Denn auch der größte Treibhausgas-Produzent der Erde kann das Klima nicht im Alleingang retten. Dass die USA sich vom Blockierer zum Antreiber entwickelt haben, gehört jedoch zu den hoffnungsvollsten Aspekten von Obamas Präsidentschaft. Im Ringen um seine Nachfolge ist das Thema Umweltschutz plötzlich enorm wichtig geworden; Hillary Clinton ließ bereits wissen, sie wolle den Plan im Fall eines Wahlsieges noch ausbauen. Im Frühjahr hat auch China erstmals Klimaschutzziele formuliert.

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