Ohne Plan und ohne Mut

Zum Beginn dieser Woche sind die Griechen in einem anderen Land aufgewacht. Das hat nur vordergründig mit geschlossenen Banken zu tun und mit Geldautomaten, die lediglich ein paar Euro herausgeben. Viel wichtiger ist, dass Hellas seine Würde verloren hat, die gerade diese Regierung ihren Landsleuten zurückgeben wollte.

Nichts ist zu sehen vom Stolz auf Geleistetes, vom mutigen Anpacken in einer Krise, die man überwinden will. Nach fünf Monaten unter Alexis Tsipras liegt Griechenland am Boden.

Die Regierung hätte das vermeiden können, die Geldgeber haben es versucht. Sie sind gescheitert, weil Tsipras und seine Minister sich jedem Kompromiss verweigerten. Es sind übrigens die oft beschimpften Institutionen, die inzwischen bereits an einem Hilfsplan arbeiten, um noch größeres Chaos und Katastrophen zu vermeiden. Werden Griechenlands Politiker das auch erwähnen, wenn sie zum Referendum aufrufen? Wann wacht das Land endlich auf und versteht, wer in dieser Eskalation welche Rolle spielt? Wer sich das letzte Angebot der Geldgeber vom vorigen Freitag genau durchliest, kann sich nur wundern, warum Tsipras da nicht sofort zugriff.

Natürlich ist es das demokratische Recht eines Ministerpräsidenten, das Volk bei derart tiefgreifenden Entscheidungen nach seiner Meinung zu fragen. Das kann Klarheit schaffen - theoretisch. Dem geplanten Referendum wird das allerdings nicht gelingen, weil die Athener Regierung auch den eigenen Landsleuten nicht die Wahrheit sagt: Wer sich seine Zukunft von den Steuerzahlern der Euro-Partner finanzieren lässt, der muss endlich auch selbst Strukturen verändern, um das Land zu sanieren. Falls es also zum Referendum kommt, stimmen die Hellenen am Sonntag nicht nur über den Euro ab, sondern über ihre Mitgliedschaft in der EU. Weil es das eine nicht ohne das andere gibt.

Tsipras wollte einen Befreiungsschlag, er bekommt eine in jeder Hinsicht aussichtslose Situation. Entweder für das Land oder für seine Regierung. In beiden Fällen aber gibt es wieder keinen Aufbruch. Das vermeintliche Signal der Stärke ist bei genauem Hinsehen ein Dokument der politischen Kurzsichtigkeit, denn Griechenland braucht die Währungsunion mehr denn je. Und der Tisch ist gedeckt. Man bräuchte nur Platz zu nehmen und zuzugreifen. Wer stattdessen das Tischtuch zerschneidet, muss sich nach der Ehrlichkeit und ideologischen Unabhängigkeit seiner Motive fragen lassen. Tsipras und seine Mitstreiter bedienen sich nicht etwa eines demokratisch legitimen Instruments, um sich vom Volk Rückendeckung zu holen. Sie schieben Verantwortung ab. Wenn sie nur wenigstens mutig genug wären, mit dem Ausgang des Referendums ihre eigene politische Zukunft zu verknüpfen.

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