Jeder kämpft für sich allein

Dieses Gipfeltreffen war eine Lehrstunde in europäischer Wirklichkeit. Natürlich haben die Umweltschützer Recht, wenn sie die eklatante Lücke zwischen den Notwendigkeiten des Klimaschutzes und der Realität des Ergebnisses anprangern.

Aber 28 Staats- und Regierungschefs denken eben auch an ihren Geldbeutel, an die Probleme der Wirtschaft, an die Gefahr wegbrechender Jobs.

Dass eine Verständigung zwischen derart unterschiedlichen Staaten für sich genommen schon ein Erfolg ist, wie es der neue Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einmal formuliert hat, erscheint da wenig nachvollziehbar. Und doch ist es so. Denn in der langen Nacht von Brüssel mussten auch die ambitionierten Staatenlenker feststellen, dass es ohne Zurückstecken gar kein Ergebnis geben würde. Was herauskam, war nicht so gut, wie es hätte sein müssen. Aber eben auch nicht so schlecht, wie zu befürchten war.

Wirklich mies ist der Tabubruch, den sich die 28 Chefs demokratisch gewählter Regierungen erlaubten, als sie sich mit einem Trick die Oberhoheit über den weiteren Fortgang des Klimaschutzes sicherten - und damit die Volksvertreter im Parlament und ihre eigenen Fachminister im Rat de facto entmündigten. Das bestätigt dieses fatale Bild einer europäischen Runde, die Mitbestimmung nicht zulassen will, weil sie das in einer Demokratie übliche Hinterfragen und Streiten fürchtet. So etwas ist kein Ruhmesblatt für die EU. Im Grunde funktioniert Europa immer noch nach einem Muster, das man überholt glaubte: Gemeinsam ja, aber nur wenn das für andere gilt. Klimaschutz steht in direkter Konkurrenz zur nationalen Wirtschaftspolitik. Haushaltssanierung ist gut, solange man selbst machen kann, was man will.

Wenn Europa in Sachen Finanzstabilität, Klimaschutz oder soziale Sicherheit wirklich die Vorbildfunktion haben will, die man beansprucht, hätten die 28 Chefs nicht um möglichst niedrige, sondern um möglichst hohe Ziele gerungen. Doch das unterblieb - sowohl beim Klimaschutz wie auch beim Thema Etatsanierung oder Infrastruktur-Hilfe. Die Fronten zwischen den Staaten sind vielfältig: Bittsteller contra Nettozahler, Reformer gegen Reformunwillige, Musterschüler gegen Nachzügler, Arm gegen Reich. Und man kann sich nicht einmal sicher sein, ob denen, die von der Gemeinschaft alimentiert werden, wirklich daran gelegen ist, aufzuholen.

Das lähmt diese Union derzeit mehr als störrische Briten oder überschuldete Griechen. Der Traum einer Gemeinschaft, die um gleiche Wettbewerbsfähigkeit und vergleichbare ökonomische Stärke ringen wollte, scheint schon wieder ausgeträumt. In der Krise versprach man sich mehr Zusammenhalt. Davon ist nach der Krise nicht wirklich viel zu spüren.

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