Der letzte Countdown

Das muss man Sepp Blatter lassen: Als Hauptdarsteller der Schmierenkomödie "Fifa" gibt er eine überzeugende Fiesling-Figur ab. Auch deshalb wird das Stück um Intrigen und Korruption, um Macht und Eitelkeiten weltweit mit Spannung verfolgt.

Großes Kino, zumal der Fifa-Präsident erwartungsgemäß die Wiederwahl geschafft hat - mit so vielen Toren Unterschied, dass sein blasser Gegner entnervt aufgab.

Gewiss, es ist ein schlechter Witz, dass der starrsinnige Greis aus der Schweiz ungeachtet aller Skandale bestätigt wurde und weiterregieren kann im weltweit größten Mafia-Verband. Aber zugleich ist bittere Realität: Nur aus "westlicher" Perspektive gilt das Blatter-System als verrottet, nur die Verbände und Politiker aus Nordamerika und Europa sind empört über die Machenschaften, die zur Festnahme von sieben Fifa-Funktionären geführt haben. Es ist eine Frage der Mentalität: In weniger demokratischen Ländern zählen andere Interessen, Transparenz ist Nebensache. Solange das System funktioniert, also der Rubel rollt, macht es für die kleinen Fußballnationen keinen Sinn, die fütternde Hand zu beißen.

Aus diesem schlichten, allzu menschlichen Grund hat Blatter gestern noch einmal obsiegt. Indirekt geholfen haben ihm dabei die Feiglinge aus dem europäischen Verband Uefa, die weder über ein Konzept noch über Taktik und Courage verfügten und sich auf dem Kongress in Zürich nicht einmal zu Wort meldeten, um Tacheles zu reden und für einen Neuanfang unter sauberen Vorzeichen zu werben. Stattdessen hat man einen blutleeren Prinzen aus dem Morgenland nach vorn geschoben, der gegen die robusten Verteidiger des Blatter-Teams chancenlos war. Welch eine Blamage für die Uefa, die sich auf dem Kongress wort- und hilflos präsentierte und nur "nach dem Spiel" große Töne spuckte.

Ungeachtet dessen mag Blatter zwar noch einmal gewonnen haben, doch eigentlich sollte er sich nicht lange über diesen Sieg freuen dürfen: Wenn die Sportsfreunde aus Amerika und Europa noch einen Funken Ehre im Leib haben, müssen sie handeln und notfalls sogar eine (vorläufige) Spaltung der Fifa in Kauf nehmen. Ein Boykott ist kein schönes Instrument, aber Langmut und das Prinzip Hoffnung taugen auch nur so viel wie ein verschossener Elfmeter.

Sepp Blatter darf also noch einmal in die Verlängerung. Es ist nachvollziehbar, dass er sich nach 37 Jahren an der Spitze der Fifa nicht wie ein geprügelter Hund vom Platz jagen lassen wollte. Aber auch der Pate des Weltfußballs müsste jetzt wissen, was die Stunde geschlagen hat. Das Spiel ist aus, und das werden auch die Freunde des Systems Blatter merken. Ein Lieblingslied der Fans in den Stadien der Welt heißt The final Countdown. Blatter hat es noch einmal geschafft. Doch sein letzter Countdown läuft.

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