Recht und Gerechtigkeit

Seit der unbewaffnete schwarze Teenager Michael Brown am 9. August von einem weißen Polizisten nach einer handgreiflichen Auseinandersetzung erschossen wurde, hallt der Ruf nach "Gerechtigkeit" durch die USA.

Unter "Gerechtigkeit" verstehen vor allem Bürgerrechtler , aber auch die meisten Afro-Amerikaner allerdings nur eines: Eine Anklage und Verurteilung des Todesschützen, dessen Verhalten sie als Musterbeispiel für die fortgesetzte Diskriminierung von Minderheiten durch die Polizei sehen.

Das Problem bei dieser Argumentation war allerdings, dass sie eines außer Acht ließ: Die Fakten des Vorgangs sowie die Gesetzeslage, die Polizisten in den USA weitreichende Rechte zur Selbstverteidigung bei einer gefühlten Bedrohung einräumt. Zugespitzt gesagt: "Gerechtigkeit" sollte im Fall Michael Brown durch Massen-Proteste und auch eine gewisse Mob-Mentalität als Ersatz für eine objektive Betrachtung durch das Justizsystem hergestellt werden.

Dass nun der Polizist Darren Wilson nicht angeklagt werden soll, dürfte das Gefühl unter vielen Schwarzen, nur Bürger zweiter Klasse zu sein, weiter anheizen. In diesem emotionalen Reizklima hatte US-Präsident Barack Obama indirekt - und unglücklicherweise - auch noch eine Schuld des Polizisten präjudiziert, indem er drei hochrangige Beamte zur Beisetzung Browns geschickt hatte.

Dessen Schicksal eignet sich allerdings eher schlecht als Beispiel für einen latenten Rassismus. Denn auch ein Weißer wäre, hätte er sich so aggressiv wie Brown verhalten, am 9. August vermutlich erschossen worden - in einem Land, das es grundsätzlich seiner Polizei allzu einfach macht, leichtfertig und ungestraft die Waffe zu benutzen. In der Regel reicht, das zeigen Gerichtsverfahren, eine wie immer geartete "Furcht" vor einer möglichen Bedrohung für einen Cop aus, um ohne Konsequenzen davonzukommen. Auch der Beamte, der am Wochenende in Cleveland einen zwölfjährigen Jungen durch Bauchschüsse auf dem Spielplatz getötet hat, weil dieser eine Plastikpistole schwenkte, wird wohl nicht bestraft werden.

Der Fakt, dass in den USA zuletzt vor allem Fälle Schlagzeilen machten, bei denen Schwarze zum Opfer wurden, liegt im übrigen auch an einem besonderen Phänomen: Der Fähigkeit schwarzer Organsationen und Bürgerrechtler , solche Vorgänge durchaus publikumswirksam und emotionsstark zu thematisieren. Verschwiegen wird dabei, dass auch viele Weiße durch Polizeigewalt sterben. Bedrückend ist auch die statistische Tatsache, dass Schwarze vor allem durch Schwarze bei Straftaten getötet werden. Wenn die US-Staaten weitere Rassenunruhen verhindern wollen, wären sie jedenfalls gut beraten, ihre Polizeigesetze zu reformieren.

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