Gute Bürger, böse Bürger

Die Rollen sind klar verteilt. Pegida, das sind die Bösen und Braunen, Anti-Pegida die Braven und Bunten. Sympathisanten der Islamkritiker kommen in die unterste Schublade, "weltoffene Bürger " in die oberste.

So steht es in (fast) allen Gazetten, so hätten es auch gerne die Freunde einfacher Wahrheiten. Aber die Welt ist komplizierter. Sie hat unendlich viele Farbtöne.

Der Streit um den Umgang mit Pegida hat schon längst Stammtisch(niveau) und Parteien erreicht. Selbst der Vizekanzler und SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel steht im Getümmel, weil er sich in Dresden über die Motive der "Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes" informiert hat. Böser Siggi - da griffen erboste Chefredakteure persönlich in die Tasten, man konnte ja nicht durchgehen lassen, dass der verirrte Genosse "die Ehre der Politik verspielt" (FAZ), wo man doch vehement vor der "widerwärtigen Minderheit" (Süddeutsche Zeitung) gewarnt hatte. An dieser Stelle lauert das Grundübel der ganzen Debatte: die pauschale Diffamierung. Sie wird zur Keimzelle des Grolls und des Trotzes. Die einen schreien "Lügenpresse!", die anderen brüllen "Rassisten!". Diese radikale Art des Umgangs ist ein Spaltpilz, der jeden Konsensversuch vergiftet.

Auch Sachsens Ministerpräsident hat es mit der Presse verscherzt, weil er nicht bereit war, den Islam vorbehaltlos für Deutschland zu akzeptieren. Dabei steht der CDU-Politiker Stanislaw Tillich mit dieser Ansicht nicht allein. Viele Konservative sind irritiert über Kanzlerin Angela Merkel, für die der Islam "zu Deutschland gehört". Nun kann man über diese akademische Frage trefflich streiten. Und man darf sich auch darüber wundern, warum ausgerechnet der intolerante Islam von Menschen verteidigt wird, die sonst so leidenschaftlich Toleranz fordern. Aber es darf keine Rosinenpicker-Toleranz geben, sie muss universell gelten - auch für die Demonstranten von Pegida. Man kann diesen Leuten intelligent und musikalisch "den Marsch blasen", wie in München geschehen. Aber man darf sie nicht - wie in Hannover - daran hindern, ihre Meinung zu äußern. Zur Meinungsfreiheit gehört nicht nur die Freiheit, Religionen beleidigen zu dürfen. Sondern auch die Freiheit, gegen etwas "Gutes" zu sein, wie Islam oder Zuwanderung.

Der letzte Säulenheilige des deutschen Journalismus , Hans-Joachim Friedrichs, hatte ein klares Credo: "Guter Journalismus darf sich mit keiner Sache gemein machen. Auch nicht mit einer guten." Die Medien sollten keinen Kulturkampf führen, sie sollten ihn beschreiben. Und die politische Klasse muss sich entscheiden, ob sie bei dem Pegida-Prozess Feuerwehr spielen will. Dann aber sollte sie (wie Gabriel) beim Löschen helfen. Und nicht Öl nachgießen.

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