Neustart in Athen

Niemand kann es den Griechen verübeln, dass sie nach dem Prinzip Hoffnung gewählt haben. Hätten die EU, die Euro-Zone und die Troika Recht behalten, es würde den Hellenen längst deutlich besser gehen.

Aber die bisherigen Hilfen haben das Land regelrecht zerlegt, statt es aufzubauen. Wachstumsprogramme wurden in Brüssel beschlossen, aber nie wirklich ausgeführt. Wenn es tatsächlich spürbare Zeichen der Besserung gegeben hätte, wäre Alexis Tsipras ohne Chance gewesen. Aber es gab sie nicht.

Der Wahlsieger wird allerdings schwer tragen an der Bürde, dass er nun der Hoffnungsträger für das ganze Land sein muss. Tsipras droht eine bittere Realität, die mit Wahlkampfversprechen nicht zu verändern ist. Sein Ruf nach einem Schuldenschnitt ist nicht nur unsinnig, weil weder Deutsche noch Niederländer oder Balten dazu bereit sind. Eine Entschuldung per Federstrich bleibt auch ökonomisch ein Irrweg. Schon der erste Schuldenverzicht brachte nur minimale Entlastung. Weil das Land nicht wettbewerbsfähig ist, weil die Löhne immer noch zu hoch liegen und weil Griechenland wegen Überregulierung und überbordender Bürokratie wahrlich nicht einladend auf Geldgeber oder Investoren wirkt.

Die nicht enden wollenden Appelle der Europäer nach einem Fortgang der Reformen sind ja keine Schikane, sondern Einsicht in Notwendigkeiten. Wenn Tsipras wirklich etwas für sein Land tun will, darf er nicht an diesen Auflagen rumfummeln, sondern muss sich bemühen, längst gegebene Zusagen für Wachstumsinitiativen einzufordern. Athen braucht Geld - aber eben für Jobs und Unternehmen, nicht für soziale Wohltaten, mit denen das Geld anderer verprasst wird.

Dennoch wird sich Europa nach dieser Wahl verändern. Die Großzügigkeit, mit der man Frankreich und Italien den Ta bubruch einer höheren Verschuldung durchgehen ließ, während Griechenland , Spanien, Portugal und andere mit drakonischen Strafen überzogen wurden, hat Spuren hinterlassen. Die kann man aufarbeiten, aber dafür muss mehr passieren als ein paar zusätzliche Gipfeltreffen.

Der umstrittene Beschluss der Europäischen Zentralbank, Staatsanleihen aufzukaufen, um den Banken mehr Spielraum für Kredite zu ermöglichen, könnte sich noch als visionär erweisen. Vor allem dann, wenn er tatsächlich durch die Impulse eines Investitionspaktes verstärkt wird, wie ihn der Kommissionspräsident anstrebt. Jean-Claude Juncker hat Recht, wenn er mit seiner Mannschaft Wachstum zum zentralen Thema machen will. Griechenland und der gesamte strukturschwache Süden der Union brauchen keine leeren Versprechen mehr, sondern Projekte, nachhaltige Investitionen, eine schier unübersehbare Zahl erster Spatenstiche. Doch nach Wachstum zu rufen, reicht nicht. Man muss dafür auch einiges tun. Jeder bei sich selbst.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort