US-Präsident in der Kritik: Obamas blutiger Drohnen-Krieg

Washington · Die US-Rakete sollte Al-Qaida-Terroristen töten, riss aber auch unschuldige Geiseln in den Tod: Ein Italiener und ein US-Bürger starben bei der CIA-Operation. Präsident Obama zeigt sich schockiert – und steht in der Kritik wegen der Drohnen-Politik.

Warren Weinstein war die vergessene Geisel, so jedenfalls sieht es seine Familie. "Angesichts meines Alters und meines Gesundheitszustands habe ich die Zeit nicht auf meiner Seite", mahnte er vor zwei Jahren, damals 71, in einem Brief, den seine Entführer den Medien zuspielten. Im August 2011, vier Tage vor seiner Rückkehr nach Maryland, war er in Lahore gekidnappt worden, ein Idealist, der das eher geordnete Leben eines Hochschullehrers gegen das aufregende, unbeständige eines Weltenbummlers eingetauscht hatte. Für USAID, die amerikanische Behörde für Entwicklungshilfe, war er in Pakistan. Dort habe er sich schnell hineinfinden können in fremde Kulturen, erzählen Kollegen. In Pakistan habe er Urdu gelernt, trotz seines jüdischen Glaubens im Ramadan gefastet und statt westlicher Kleidung den wallenden Shalwar Kameez getragen. "Diejenigen, die Warren verschleppten, sind letztendlich verantwortlich für seinen Tod", schrieb seine Frau Elaine in einem Statement. Dem Ergebnis der offiziellen Untersuchung der Regierung blicke sie aber mit Spannung entgegen, sagte sie.

Bisher ist es nur Bruchstückhaftes, was das Oval Office über den verhängnisvollen Drohnenangriff preisgibt. Demnach nahm die CIA am 15. Januar ein Anwesen im pakistanischen Shawal-Tal ins Visier, einen Komplex, der nach ihren Erkenntnissen Terroristen als Treffpunkt diente. Dass sich dort mit Weinstein und Giovanni Lo Porto, einem Italiener in Diensten der Welthungerhilfe , auch zwei westliche Geiseln befanden, habe man nicht gewusst. Erst später, nachdem Satellitenaufnahmen studiert und abgehörte Telefonate ausgewertet waren, sei klargeworden, dass neben den vier Leichen, mit denen zu rechnen war, zwei weitere aus den Trümmern geborgen wurden. Warren sei vermutlich nicht mehr am Leben, ließ das FBI Elaine Weinstein Anfang Februar wissen, ohne von Drohnen zu sprechen. Als Präsident Barack Obama , sichtlich zerknirscht, am Donnerstag die Wahrheit einräumte, brachte er eine Lawine von Fragen ins Rollen. Das Mea culpa lasse vieles im Nebel, kritisiert Steve Coll, ein Pulitzer-Preisträger, der seit Langem versucht, Licht ins Dunkel des geheimen Drohnenkriegs zu bringen. "Was genau wurde an Fehlern gemacht? Wer wird dafür zur Verantwortung gezogen?" Nach den Worten Jameel Jaffers, eines Experten der Bürgerrechtsliga ACLU, rückt die Tragödie ein akutes Problem in den Fokus. Zwischen dem, was die Administration über Drohnen-Richtlinien sage, und den Regeln, nach denen sie handle, klaffe eine Lücke.

Ab 2001, nach einer Attacke in Afghanistan, kamen sie zusehends in Mode, die unbemannten Leichtflugzeuge vom Typ Predator oder Reaper. In aller Regel kreisen sie stundenlang am Himmel, Aufnahmen an ein Operationszentrum in Arizona übermittelnd, bevor dort jemand auf einen Knopf drückt und eine Rakete abfeuert. In Pakistan, dem Hauptschauplatz dieses Krieges, gefolgt von Somalia und dem Jemen, wurden bislang rund 400 solcher Schläge gezählt. Nach Schätzungen der "New America Foundation" kamen dabei 250 bis 300 Zivilisten ums Leben.

Es war George W. Bush, der sechs Monate vorm Abschied aus dem Oval Office dem Rat seines CIA-Direktors Michael Hayden folgte und zur eigentlichen Drohnenoffensive blies, um Soldaten am Hindukusch vor Anschlägen zu schützen. "Diese Hundesöhne töten Amerikaner, mir reicht es jetzt": Mit diesen Worten, protokolliert der Watergate-Enthüller Bob Woodward , soll er Hayden grünes Licht gegeben haben. Obama übernahm das Konzept nicht nur, er baute es aus. Wer Drohnen fernlenken konnte, brauchte keine Truppen in Marsch zu setzen - der Gedanke gefiel ihm. Zu den kontroversesten Aspekten zählen die "signature strikes", eine Ergänzung der "to-kill"-Listen, die der Staatschef abzeichnen muss. In solchen Fällen können CIA oder Pentagon tödliche Gewalt schon dann anwenden, wenn sie am Boden Verdächtiges beobachten, ohne zu wissen, um wen es sich bei den Verdächtigen handelt. Unter diese Rubrik fiel offenbar auch der Angriff, der Weinstein und Lo Porto das Leben kostete.

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