„100-prozentige Sicherheit ist nicht machbar“

Saarbrücken/Paris · Wie kann man Zugreisende besser schützen? Nach dem Angriff mit einem Gewehr und einem Messer durch einen Mann im Zug von Amsterdam nach Paris, den beherzte Reisende überwältigten, wird heftig diskutiert.

 SymbolfotoLocation:Schwerin

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Foto: Jens Büttner/dpa

Man muss sich das mal vorstellen: Inmitten eines Gewusels eilender Reisender betritt seelenruhig ein Mann mit Fahrkarte und Gepäck den Zug. Niemand ahnt etwas, niemand kann ausweichen, als derselbe Mann von der einen auf die andere Sekunde zu einem kaltblütigen Angreifer wird, der keinen Respekt mehr vor Menschenleben hat.

Fassungslosigkeit alleine schon darüber, dass jemand eine Kalaschnikow mit in den Zug nehmen kann. Während die "fünf Helden", die durch ihr Eingreifen auf der Fahrt von Amsterdam nach Paris im Hochgeschwindigkeitszug "Thalys" ein Blutbad verhindert haben, sogar vom französischen Staatspräsidenten geehrt wurden, irritiert ebenso die Reaktion aus Brüssel. EU-Politiker sind schon am nächsten Tag mit publikumswirksamen Antworten zur Stelle. Strengere Kontrollen auf Bahnhöfen und in Zügen sollen es richten. Das hätte aber erhebliche Folgen für den Reiseverkehr.

Zwei Milliarden Reisende hat die Deutsche Bahn allein 2014 im Fern- und Nahverkehr befördert. Die meisten davon werden wohl froh sein, dass sie jederzeit jeden Zug ohne Einschränkung, etwa einer zwingenden Reservierung, nutzen können. In Frankreich muss dagegen im Fernverkehr eine Reservierung vorliegen. Im Hochgeschwindigkeitszug Eurostar von Paris nach London werden jeder Reisende und das Gepäck kontrolliert, ähnlich wie auf Flughäfen. Wer aber will in Deutschland auf dem Weg zur Arbeit vor dem Betreten des Zuges durch Sicherheitsschleusen gehen?

Der Landesvorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) im Saarland, Ralf Damde, rät zur Besonnenheit. "100-prozentige Sicherheit gibt es nicht. Die ist nicht machbar." Einen herrenlosen Koffer mit Sprengstoff etwa, das größte anzunehmende Horror-Szenario in Bahnkreisen, "kann man in einen Zug, an einen Flughafen oder in die Ludwigskirche in Saarbrücken stellen". Man müsse sich entscheiden, bis in die Politik hinein, ob man die größtmögliche Reisefreiheit verteidigen oder lieber verschärfte Kontrollen favorisieren will. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Bevölkerung schärfere Kontrollen will."

Dem Konzernbevollmächtigten der Deutschen Bahn im Saarland, Jürgen Konz, sind "derzeit keine offiziellen Intentionen bekannt, die Sicherheitsvorkehrungen zu verschärfen oder mehr zu kontrollieren". Das Saarland sei jedoch Vorreiter in der Einrichtung von Ordnungspartnerschaften. Dabei arbeiten die Deutsche Bahn, die Bundespolizei und die Städte zusammen, um gemeinsam Kontrollen und eine möglichst hohe Präsenz auf Bahnhöfen sicherzustellen.

Das findet auch Roland Voss grundsätzlich gut, der Gewerkschaftsvorsitzende der Bundespolizei im Saarland. Doch er sieht das gleiche Problem wie der innenpolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion , Stephan Mayer. Der sagte gestern: "Um die Polizeipräsenz zu erhöhen, bedarf es unweigerlich zusätzlicher Stellen bei der Bundespolizei ." Laut Voss fehlen an der Saar 80 Stellen. Präsenz und Kontrollen in Fernzügen seien kaum noch möglich. "Die Bundespolizei kann nicht einmal mehr Taschendiebstähle aufnehmen", beklagt Voss, der dringenden Handlungsbedarf sieht, gerade auch bei der Präsenz in den Zügen von Paris über Saarbrücken nach Frankfurt. Man müsse davon ausgehen, dass diese Züge auch von Terroristen genutzt werden, die sich in Trainingscamps im Ausland ausbilden lassen und ihren Rückweg nach Deutschland über diese Route nehmen. "Ja, die Strecke sollte mehr bewacht werden", legt sich Voss fest.

Er schlägt als eine mögliche Lösung "Zug-Sheriffs" nach dem Vorbild von "Sky-Sheriffs" in der Luftfahrt vor. Seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York gibt es solche "Sky-Sheriffs" mittlerweile auch in Deutschland. Hier betreut auch die Bundespolizei mit einer eigenen Einheit deutsche Fluggesellschaften. "Sky-Sheriffs" in Zivil begleiten Flüge streng geheim. Nicht einmal der Pilot weiß Bescheid. Solche "Sheriffs" könnten auch Fernzüge begleiten und in einem Notfall schnell einschreiten, schlägt Voss vor.

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