Protest macht (auf Dauer) keine Partei

Saarbrücken · Im kommenden Jahr startet Deutschland in eine Serie bedeutender Wahlen, die 2017 mit der Bundestagswahl ihren Höhepunkt findet. Im Bund schienen die Mehrheiten zuletzt in Stein gemeißelt. Doch bei genauerem Hinsehen ist das Parteiensystem in Bewegung. SZ-Mitarbeiter haben dafür bundesweit Beispiele gefunden. Heute: Linke und Piraten an der Saar.

 Oskar Lafontaine hat noch nicht entschieden, ob er 2017 wieder für den Landtag kandidieren wird. Foto: B&B

Oskar Lafontaine hat noch nicht entschieden, ob er 2017 wieder für den Landtag kandidieren wird. Foto: B&B

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Der 3. September 2008 muss für Oskar Lafontaine ein Tag besonderer Genugtuung gewesen sein. Damals sah eine Umfrage seine Linke im Saarland mit 24 Prozent zum ersten (und letzten) Mal knapp vor der SPD . Für kurze Zeit diskutierte die Republik, ob es nach der Landtagswahl 2009 einen Linken-Ministerpräsidenten an der Saar geben könne. Am Ende landete die Linke zwar hinter der SPD , aber 21,3 Prozent zeigten, dass es Lafontaine gelungen war, die Unzufriedenen und Enttäuschten einzusammeln. Fast jeder zweite Arbeitslose und jeder dritte Arbeiter stimmte für die Linke, 40 Prozent ihrer Wähler waren zuvor Nichtwähler. In Völklingen wurde die Linke stärkste Partei.

Heute sitzt Lafontaine immer noch in seinem Abgeordnetenbüro, der Ex-Ministerpräsident und Ex-SPD-Bundeschef ist inzwischen Oppositionsführer im kleinsten Landesparlament Deutschlands. "Das ist natürlich gewöhnungsbedürftig", sagt er. Aber seine Fraktion setze eine ganze Reihe von Themen. Niemand aber würde heute noch auf die Idee kommen, über einen Ministerpräsidenten Lafontaine zu spekulieren. Bei der Landtagswahl 2012 holte die Partei 16,1 Prozent. An diesem Ergebnis wolle man sich auch 2017 wieder orientieren, sagt Lafontaine. Die neueste Umfrage sieht die Linke nur noch bei zehn Prozent.

Auch bei einer anderen Partei ging es seit der letzten Wahl bergab. Die Piraten waren 2012 mit 7,4 Prozent in den Landtag eingezogen. Rund 40 Prozent ihrer Wähler kamen damals von der Linken oder aus dem Nichtwähler-Lager. Die meisten gaben den Piraten ihre Stimme, weil sie der Meinung waren, dass es in der Gesellschaft ungerecht zugeht - von wegen Netzpolitik! In der jüngsten Umfrage stehen die Piraten nur noch bei einem Prozent. Zu Landesparteitagen kommen gerade noch 30 Mitglieder. Das Ende der Piraten im Landtag naht. "Man kann sagen: Game over in Land und Bund", erklärte der Piraten-Abgeordnete Michael Neyses im Januar - am Tag, als er zu den Grünen wechselte.

Im Gegenzug zu Linken und Piraten erleben CDU und SPD im Saarland eine kleine Renaissance. Sie waren hier traditionell stark, brachten es früher zusammen auf bis zu 90 Prozent der Stimmen. 2009 folgte der Absturz auf 59 Prozent. In der letzten Umfrage liegen sie nun wieder bei 73 Prozent.

Spricht man Oskar Lafontaine auf den Abwärtstrend seiner Partei an, dann erhält man zwei Erklärungen. Erstens werde die Linke bei Umfragen immer unter Wert gemessen. Und zweitens "hatte und hat die Linke - wie alle neuen Parteien - eine Reihe von Mitgliedern in ihren Reihen, die etwas schwierig sind". Tatsächlich ging es in dem Landesverband in den letzten Jahren drunter und drüber. In den letzten Monaten tritt die Saar-Linke aber wieder geschlossener auf.

Bei den Piraten ist die Entwicklung noch dramatischer: Der Landesverband geriet nach 2009 immer stärker in den Abwärtssog der Bundespartei. Michael Neyses sagte beim Abschied: "Die Partei, für die ich in den Landtag gewählt wurde, gibt es nicht mehr." Piraten-Landeschef Gerd Rainer Weber indes sieht die Partei wieder auf dem Weg nach oben und träumt von einer Regierungsbeteiligung. Bei den Linken hängt nun vieles von Oskar Lafontaine ab. Als er sich bei der letzten Bundestagswahl weigerte, Wahlkampf zu machen, weil er sich mit Spitzenkandidat Thomas Lutze überworfen hatte, stürzte die Partei auf zehn Prozent ab. "Sicher spielt meine Kandidatur eine Rolle", sagt Lafontaine über die Landtagswahl 2017. Viele Saarländer erinnerten sich an seine Arbeit als Saarbrücker Oberbürgermeister (1976-1985) und als Ministerpräsident des Saarlandes (1985-1998). Ob er noch einmal antritt, will Lafontaine 2016 entscheiden.

Auf seine Antwort warten nun die gesamte Linke - und alle übrigen Parteien. Denn das Ergebnis einer Wahl ohne Lafontaine wäre mit Sicherheit ein anderes als mit Lafontaine.

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