Bürger sollen mit ihrem Geld Straßen teeren - Saar-Koalition einig über neue Abgabe

Saarbrücken · Vielen Kommunen im Saarland fehlt das Geld für Investitionen ins Straßennetz. Die Bürgermeister drängen seit Jahren auf eine jährlich wiederkehrende Abgabe der Grundstückseigentümer. Püttlingen macht es vor.

Irgendwann um die Jahrtausendwende wurde es den Püttlinger Stadt-Oberen wohl zu bunt. Jedes Mal, wenn die Stadt entschied, ein Stück ihres 85 Kilometer langen Straßennetzes zu erneuern und die Anlieger - wie von 1995 bis 2001 vom Innenministerium gefordert - an den Kosten zu beteiligen, gab es einen Aufschrei. Bürgermeister und Ratsmitglieder mussten sich in Einwohnerversammlungen beschimpfen lassen. Das ist kein Wunder, denn bei einmaligen Straßenausbaubeiträgen müssen Grundstückseigentümer in kurzer Zeit schnell tausende Euro berappen.

Als erste und bislang einzige Kommune im Saarland beschloss die Stadt Püttlingen im Jahr 2001, als Alternative sogenannte wiederkehrende Beiträge für den Straßenausbau einzuführen. Seither müssen alle Grundstückseigentümer eine Abgabe für die Unterhaltung der städtischen Straßen zahlen - also nicht nur die Anlieger. Für die meisten Grundstücke sind das nach Angaben der Stadt je nach Größe und Bebauung zwischen 50 und 85 Euro im Jahr. "Ein uneingeschränkt positives Fazit" zieht der Fachdienstleiter Verwaltung im Eigenbetrieb Technische Dienste, Klaus Nickels. Die Stadt habe seit 2002 etwa 4,9 Millionen Euro in ihre Straßen investiert, wovon die Bürger 3,2 Millionen aufgebracht hätten.

Das Püttlinger Beispiel wird aller Voraussicht nach Schule machen. CDU und SPD sind sich im Grundsatz einig, die Kommunen zur Einführung der Abgabe zu verpflichten. "Es hilft nichts, wenn man immer nur den Ruf nach mehr Geld nach oben richtet, aber die eigenen Hausaufgaben vor Ort nicht macht", sagte SPD-Fraktionschef Stefan Pauluhn der SZ. Beide Fraktionen betonen, dass die Abgabe unbedingt zweckgebunden sein müsse, das Geld also nur in den Straßenbau fließen darf.

Auch die Bürgermeister sind für die Beiträge, in nicht wenigen Gemeinden reichen die Mittel im Investitionshaushalt nicht mehr für dringend nötige Straßen-Erneuerungen. Der Saarländische Städte- und Gemeindetag (SSGT) hatte sich bereits 2008 mit dem Anliegen an das Innenministerium gewandt. Dort wollte man erst ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht abwarten, das über die wiederkehrenden Beiträge in Rheinland-Pfalz zu befinden hatte. Im Juni 2014 urteilte Karlsruhe, dass die Beiträge unter bestimmten Voraussetzungen verfassungskonform sind. Zwar könnten die Kommunen die Beiträge, wie in Püttlingen , jetzt schon erheben, aber die Bürgermeister wollen von der Landesebene lieber dazu gezwungen werden. Das erspart ihnen Diskussionen mit den Wählern und den Ratsmitgliedern. Wobei Klaus Nickels betont, die Püttlinger hätten das neue Beitragssystem schnell akzeptiert. Trotz 8200 Beitragsbescheiden pro Jahr lägen der Stadt keine Widersprüche oder Klagen vor. "Die Bürger verstehen eindeutig die Tatsache, dass durch gleichmäßige, vertretbare, jährliche Belastungen aller Grundstückseigentümer große, oft vierstellige Beiträge beim Ausbau ihrer Straße vermieden werden. Die Stadt selbst ist in der Lage, dauerhaft aus den erzielten Einnahmen den notwendigen Straßenausbau vorantreiben zu können", sagt Nickels.

Zusätzliche Belastungen werden auf die Bürger auch bei den kommunalen Gebühren zukommen, etwa bei den Kita-Gebühren. Der von Landesregierung und Kommunen eingeschaltete Gutachter Martin Junkernheinrich wird in seinem in Kürze erwarteten Gutachten empfehlen, dass Städte und Gemeinden ihre Einnahmemöglichkeiten besser ausschöpfen müssen, um ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Eine wichtige Einnahmequelle ist die Grundsteuer auf Grundstückseigentum. Diese Steuer ist im Durchschnitt aller Gemeinden in keinem anderen Bundesland so niedrig wie im Saarland - obwohl die Kommunen nirgendwo sonst so hohe Schulden haben. Das Präsidium des Städte- und Gemeindetages hat den Bürgermeistern bereits im August 2014 empfohlen, den Hebesatz anzuheben: Anders als bei der Gewerbesteuer bestehe bei der Grundsteuer "Nachholbedarf". Für ein Einfamilienhaus in mittlerer Lage (130 Quadratmeter Wohnfläche in Keller, Erd- und Dachgeschoss plus 600 Quadratmeter Garten) werden bei einem Grundsteuer-Hebesatz, wie es ihn 2013 im Schnitt im Saarland gab, 255 Euro im Jahr fällig. Bei einem Hebesatz in Höhe des Bundesdurchschnitts (siehe Grafik) wären es 310 Euro, bei einem Hebesatz wie in Nordrhein-Westfalen 353 Euro. Im vergangenen Jahr haben zwar viele Gemeinden ihre Grundsteuer-Sätze erhöht. "Aber das war nur die erste Runde", sagt ein Bürgermeister.

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