Frankreich stimmt für Merkel

Paris · Die Bundeskanzlerin wird für ihren Sparkurs in Frankreich oft kritisiert. Doch das tut ihrem guten Ruf im Nachbarland keinen Abbruch. Eine Umfrage ergab: Drei Viertel der Franzosen mögen Angela Merkel.

 Angela statt Marianne – knapp drei Viertel der Franzosen finden die Bundeskanzlerin gut. Besonders Konservative sehen Merkel positiv. Fotos: Schulze/dpa/fotolioa; Montage: SZ

Angela statt Marianne – knapp drei Viertel der Franzosen finden die Bundeskanzlerin gut. Besonders Konservative sehen Merkel positiv. Fotos: Schulze/dpa/fotolioa; Montage: SZ

"Die Franzosen stimmen für Merkel" titelt die Zeitung "Journal du Dimanche" über dem Foto einer verschmitzt lächelnden Bundeskanzlerin. Genau eine Woche, nachdem der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon Angela Merkel (CDU ) rüde anging, spricht eine Umfrage eine ganz andere Sprache. 72 Prozent der Franzosen haben eine positive Meinung von der Regierungschefin ihres Nachbarlandes. Sogar unter den Anhängern der Linken sind die Merkel-Befürworter mit 64 Prozent in der Mehrheit. "Ich bin überrascht über die hohen Sympathiewerte von Angela Merkel. Das zeigt, dass das Merkel-Bashing nicht funktioniert", sagt Frédéric Dabi vom Ifop-Institut.

"Maul zu" hatte Mélenchon vor einer Woche auf Deutsch in Richtung Bundeskanzlerin ge-twittert. Die hatte Frankreich und Italien zuvor zu stärkeren Reformanstrengungen aufgefordert. Nicht nur Mélenchon hatte darauf scharf reagiert. Auch der Chef der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis, warnte: "Frankreich ist kein deutsches Bundesland." Und sogar der konservative UMP-Politiker Henri Guaino bemerkte in seltener Einigkeit mit Mélenchon: "Er sagt das laut, was viele denken."

Viele Franzosen denken aber eben nicht wie der Linkspolitiker. Im Gegenteil: 73 Prozent finden es mit Blick auf die deutsch-französische Freundschaft bedauerlich, dass französische Politiker Deutschland kritisieren. Mélenchon war nicht der erste, der gegen Merkel ausholte. Der Sozialist Arnaud Montebourg hatte im Wahlkampf 2011 für Aufsehen gesorgt, als er der Kanzlerin vorwarf, eine Politik "à la Bismarck" zu betreiben. Im August musste der 52-Jährige seinen Posten als Wirtschaftsminister aufgeben, weil er gegen den Sparkurs der Bundesregierung zu Felde gezogen war. "Frankreich hat nicht die Absicht, sich nach den Obsessionen der deutschen Rechten zu richten", hatte der Vertreter des linken Parteiflügels kurz vor seinem Rauswurf gesagt. Die Regierung unter Manuel Valls versuchte schnell, den Schaden im deutsch-französischen Verhältnis zu reparieren. Der Premierminister traf sich im September in Berlin mit Merkel. Die Kanzlerin lobte damals das ehrgeizige Reformprogramm der sozialistischen Regierung in Paris . Allerdings müsse Frankreich noch viel mehr tun, setzte Bundeskanzlerin Merkel vor gut einer Woche in einem Interview nach. Dieser Auffassung sind auch die meisten Franzosen: 64 Prozent sind dafür, Reformen nach deutschem Vorbild umzusetzen.

Deutschland als Beispiel wird in Frankreich gerne zitiert. Die niedrigen Arbeitslosenzahlen, das immer noch stabile Wirtschaftswachstum und der ausgeglichene Haushalt halten immer wieder für Vergleiche her. Doch die Franzosen sehen durchaus auch, dass im Nachbarland nicht alles gut läuft. Drei Viertel der Befragten sind in der Ifop-Umfrage der Ansicht, dass Deutschland ein Problem mit Armut und Billiglöhnen hat. Und ein ebenso hoher Anteil der Franzosen findet, dass der deutsche Einfluss in der Europäischen Union zu groß ist.

Das liegt aber auch an der Schwäche Frankreichs. "Frankreich muss seine Wirtschaftskraft wiederfinden, um zusammen mit Deutschland Gewicht zu haben bei den großen politischen Entscheidungen in Europa", fordert der konservative Politiker und Deutschlandkenner Bruno Le Maire. "Das Ungleichgewicht liegt weder im Interesse Frankreichs noch Deutschlands noch Europas."

Meinung:

Klarer Kurs statt Zickzack

Von SZ-KorrespondentinChristine Longin

Wer hätte das gedacht: die überwältigende Mehrheit der Franzosen mag Angela Merkel. Ausgerechnet jene Bundeskanzlerin, die von ihnen Sparanstrengungen und schmerzhafte Reformen fordert. 72 Prozent haben eine positive Meinung von der deutschen Regierungschefin, der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon so gerne den Mund verbieten würde. Wenn dieser dachte, er könne mit seinem "Maul zu" ein paar Wähler gewinnen, hat er sich getäuscht. Denn sogar in seiner eigenen Partei sind die Merkel-Fans in der Mehrheit. Merkel-Bashing ist kein Mittel gegen die Krise in Frankreich . Im Gegenteil: Die Franzosen sehnen sich nach jemandem wie der Bundeskanzlerin. Eine, die in Krisenzeiten Sicherheit gibt. Eine, die bei ihrer Politik bleibt, auch wenn es boshafte Kommentare dafür gibt. Das Votum ist auch eine Ohrfeige für Präsident François Hollande . Denn der unbeliebte Sozialist laviert seit zweieinhalb Jahren herum. Davon haben die Franzosen genug. Klarer Kurs statt Zickzack - Merkel statt Hollande.

Zum Thema:

Auf einen Blick72 Prozent der Franzosen finden die Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) gut, so eine repräsentative Umfrage es Ifop-Instituts. Bei den Konservativen erhält Merkel 95 Prozent, aber auch 64 Prozent der Linken finden sie gut. Der Parteichef der Sozialisten, Jean-Christophe Cambadélis, sagte dem Sender France 3, Merkels Erfolg sei "konjunkturell" bedingt. Die Kanzlerin habe einem ausgeglichenen Haushalt zu viel Bedeutung beigemessen, statt sich für die drohende Deflation zu wappnen. red

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