Fastnacht im Saarland 50 Auftritte und ganz viel Spaß: Die tollen Tage von Prinz Flummi aus Ottweiler

Ottweiler · Einmal im Leben Prinz sein – im närrischen Alter von 44 Jahren hat sich Matthias Zimmermann einen Traum erfüllt. Als Hâgen I. genießt er die Fastnacht im Saarland in vollen Zügen.

 Die Gardemädchen Bianca Schäfer und Chantal Hasmann (r.) herzen Prinz Hâgen. Foto: Marx

Die Gardemädchen Bianca Schäfer und Chantal Hasmann (r.) herzen Prinz Hâgen. Foto: Marx

Foto: Marx

In jeder Ritze des Hauses ist Glitter verstreut. Im Wohnzimmer ein heilloses Kostüm-Tohuwabohu. Es riecht nach Klebstoff. Meine Hände sind pappig. Nur noch wenige Stunden bis zu meinem großen Auftritt als Prinz Karneval während der Prunksitzung. Und meine festliche Robe ist noch nicht bereit. Die silbrigen Pailletten, von etlichen Auftritten zuvor recht mitgenommen, müssen noch restauriert werden. Es bleibt kaum Zeit, darum kleben statt nähen.

 Prinz Hâgen in der Session 2014/15 für den ältesten Karnevalsverein im Saarland, den So war noch nix 1847 Ottweiler.

Prinz Hâgen in der Session 2014/15 für den ältesten Karnevalsverein im Saarland, den So war noch nix 1847 Ottweiler.



Unterdessen melden sich andauernd meine aufgeregten Mittänzer des Männerballetts übers Handy. Wusste gar nicht, wie ernsthaft und ausgiebig sich Herren über Strumpfhosen und Laufmaschen austauschen können. Und über Perücken. Und Haargummis. Und den passenden Lippenstift.


Zwischendurch stelle ich mich vor den großen Spiegel im Schlafzimmer. In meiner Hand acht Karten mit meiner Rede ans närrische Volk. Selbst verfasst. In Fleißarbeit. Sodann x-mal schon geprobt. Lauthals artikulierend und wild gestikulierend. Alles muss genau so klappen. Liegt halt in meiner perfektionistischen Natur. Ich hüpfe auf und ab. Was mir bei meinen Vereinskollegen seit meiner Inthronisierung die Beinamen "Seine Zappeligkeit" im Wechsel mit "Prinz Flummi" einbrachte. Wie charmant. Da rückt mein offizieller Titel Prinz Hâgen I., Tollität des Karnevalsvereins "So war noch nix 1847 Ottweiler ", völlig in den Hintergrund.


Noch zwei Stunden, keine ruhige Minute, immer neue Textnachrichten fluten mein Mobiltelefon. Teamkollegen erkundigen sich, ob ich an alles gedacht habe. Kaum zu fassen, wie sich meine Leute seit Monaten um mich kümmern: Termine regeln, Fahrten zu Gastauftritten bei befreundeten Vereinen organisieren, meinen Prinzenwagen für Umzüge in St. Wendel und Ottweiler schmücken, mir das süße Wurfmaterial besorgen. Betreutes Prinzsein - niemals im Vorfeld hätte ich mit so viel herzlicher Unterstützung gerechnet.


Im Sommer tasteten sich Vorstandsmitglieder erstmals vorsichtig an mich heran. Ob ich mich vielleicht, unter Umständen, möglicherweise mit dem Gedanken anfreunden könnte, den Prinzen zu mimen? Doch, warum nicht? Und wenn, dann mit Haut und Haaren, mit vollem Einsatz. Und das im närrischen Alter von 4x11 Jahren. Einmal im Leben Prinz sein - mein Traum wird wahr.


Nach äußerster Geheimhaltung fiel am 11.11. der Startschuss. Seitdem jagt ein Termin den nächsten. Zwischendurch zweimal pro Woche Training: mit der Schautanzgruppe und mit dem Männerballett. Darauf wollte ich auch während meiner Regentschaft nicht verzichten. Über 50 Mal bin ich deshalb insgesamt im Einsatz. Darunter sind so illustre Auftritte wie beim Christbaum-Weitwurf im festlichen Ornat. Deshalb ist es nun auch lädiert. Ich schnappe mir ohne Umschweife die leichtere, eigentlich für Frauen reservierte Weihnachtstanne. Doch statt damit etliche Meter zu reißen, stürzt mir das vermaledeite Ding trotz erheblicher Kraftanstrengung direkt vor die Füße - und das vor laufender TV-Kamera. Mitleidige Blicke der geballten Mannesschar erhaschen mich. Na ja, was wollen die auch schon von einem erwarten, der in Strumpfhosen zum Wettstreit antritt? Ein Heidenspaß für mich und das Publikum.


Endlich, meine Prinzenkluft ist in Form. Noch eine halbe Stunde bis zur Prunksitzung. Mein Höhepunkt, auf den ich mich wochenlang vorbereitet habe. Nun stehe ich vor dem Eingang zum Ottweiler Schlosstheater. Nur noch wenige Minuten bis zum Einmarsch. Ich drücke die Saaltür auf. Mein Zepter unbeholfen unterm Arm festgeklemmt, in der rechten Hand das sortierte Redemanuskript. Links 25 Rosen, die ich an Damen verteilen will. Die Menge steht. Während ich durch den Mittelgang hüpfe, klatschen meine gesammelten Orden schmerzhaft ans Kinn. Die Schleifen an den Blumen sind verheddert. Dornen bohren sich in meine Hand. Ich strahle, "Echte Fründe" singend, ins Volk. Da fliegt im hohen Bogen meine lose Blattsammlung auf den Boden. Eine Besucherin bückt sich, rafft die Zettelwirtschaft auf und drückt sie mir in die Hand. Doch ich pfeffere sie vor lauter Aufregung erneut weg. Auf der Bühne kommt mir das Funkenmariechen eilig entgegen. Ich herze sie, drücke ihr Küsse auf die Wange. Dabei will sie mir doch nur den desolaten Kragen meines Umhangs wieder aufrichten. Mit dem Manuskript-Durcheinander trete ich ans Mikro. So weit meine pedantische Planung. Spontan entscheide ich mich aber für freie Rede. Die klappt. Erleichterung. Ich nehme auf meinem Thron Platz, schunkle, feuere von Herzen die Akteure an.


Wenig später lache ich schallend. Über mich und meinen Einmarsch mit Hindernissen. Auch ein Prinz ist nur ein Mensch. Ein Narr muss zuerst über sich selbst lachen können.


Nach zweieinhalb Stunden verschwinde ich klammheimlich von der Bühne in die Garderobe, um mich für den Schautanz-Auftritt mit meiner Prinzengarde umzuziehen. Später bestreite ich noch mit dem Männerballett das große Finale. Die Zeit vergeht wie im Flug. Nach der Sitzung ist lang noch nicht Schluss. Wir feiern bis tief in die Nacht, stoßen auch auf unser jüngstes Mitglied an: Ein Tänzer des Männerballetts ist am Abend erneut Papa geworden - und war pünktlich zum Auftritt da.


Bis Aschermittwoch bin ich noch ständig unterwegs, auch beim Straßenkarneval. Eine großartige Gemeinschaft. Und was habe ich tolle Menschen kennen gelernt. Übrigens: Mein Verein sowie meine Arbeitskollegen sind der felsenfesten Überzeugung: Aschermittwoch müssen sie mich aus dem Kostüm schneiden. Sie werden recht behalten.

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