Ein Star, der dem Saarland treu bleibt

Neunkirchen-Nahe · „Ein bisschen Frieden“ katapultierte Nicole vor mehr als 30 Jahren in den Schlagerhimmel. Bis heute macht sie das, was sie liebt: Musik. Auch mit 50 Jahren denkt sie nicht ans Aufhören. Aber wenn sie einmal geht, wird es etwas mit einem Hut zu tun haben.

 Hier ist sie zuhause, hier fühlt sie sich wohl: Nicole auf einem Steg am Bostalsee. Fotos: Dietze/dpa; Guldner; dpa

Hier ist sie zuhause, hier fühlt sie sich wohl: Nicole auf einem Steg am Bostalsee. Fotos: Dietze/dpa; Guldner; dpa

Ihre Bodenständigkeit ist es, die sie zum Aushängeschild des Saarlandes gemacht hat. Nicole Seibert , die heute ihren 50. Geburtstag feiert, ist ihrem Dorf Neunkirchen-Nahe und ihrer saarländischen Heimat nie untreu geworden, nachdem ihr Schlagerstern 1982 beim Grand Prix d'Eurovision im englischen Harrogate aufging. Der erste Eurovision-Sieg für Deutschland mit dem Lied "Ein bisschen Frieden" katapultierte das damals 17-jährige Mädchen zwar in die glitzernde Welt des Fernsehens und der Show-Branche. Doch sie blieb trotz der Verlockungen der Metropolen der saarländischen Scholle verhaftet. "Heimat bedeutet ganz viel für mich. Da bin ich aufgewachsen, da sind meine Wurzeln, da sind meine Handvoll Freunde, auf die ich mich verlassen kann, da muss ich mich nicht verstellen", sagt Frau Seibert, die auch als 50-Jährige Frau vom SZ-Redakteur lieber mit Nicole angesprochen werden möchte, denn "Frau Seibert klingt irgendwie so unpersönlich".

Knapp 900 Einwohner hat das Dorf Neunkirchen-Nahe im Nordsaarland. "Jeder kennt mich von Kindesbeinen an. Jeder weiß, wie wichtig mir immer das Singen war. Alle haben es mir gegönnt, als es irgendwann soweit war, als sie mich zum ersten Mal in der ZDF-Hitparade im Fernsehen gesehen haben. Unsere Nicole aus unserem Dorf. Juhu!", beschreibt die Sängerin mit dem blonden Lockenhaar, die seit 30 Jahren mit Winfried "Winnie" Seibert, einem Kfz-Sachverständigen, verheiratet ist, mit ihm zwei erwachsene Töchter hat und bereits Großmutter einer Enkelin ist, die Zuneigung, die ihre Umgebung ihr entgegenbringt. Sie kenne jeden im Dorf mit Namen "und umgekehrt sowieso", sagt sie und muss dabei lachen. "Man kann ganz normal mit den Menschen reden. Das tut gut. Weil ich oft genug im Rampenlicht und auf dem roten Teppich stehe." Sie möge die Oberflächlichkeiten nicht, wenn es für den Fotografen wichtiger sei zu fragen, von welchem Designer ihr Kleid sei, als wie es ihr gehe. "Diese Normalität möchte ich mir bewahren, indem ich nicht von dort wegziehe", sagt sie mit Überzeugung.

Dabei scheint Nicole auch eins zu eins auf das Saarland-Image der Landesregierung vom Großen, das immer im Kleinen entsteht, zu passen. "Ich sage mir auch immer wieder: Komm mal wieder runter, du bist ein ganz normaler Mensch, wie alle anderen Menschen auch. Du hast eben nur einen Beruf, der dich bekannter macht als andere. Aber deswegen bin ich noch nicht Gräfin Koks. Diese Einstellung wollte ich mir bewahren."

Während sie an ihrem Geburtstag mit ihrer Familie einen Kurzurlaub einlegt, steht sie heute um 20.15 Uhr auch wieder im Rampenlicht: Bei der ARD wird die Aufzeichnung von Florian Silbereisens "20 Jahre Feste" gezeigt. Und Nicole ist im Reigen der Schlagerstars mit Andrea Berg , Hansi Hinterseer , Voxxclub, Andy Borg, Beatrice Egli oder Ross Antony dabei.

Vorher hat sie in dieser Woche noch im Sony-Palast am Potsdamer Platz in Berlin ihr neues Album "Das ist mein Weg" der Presse präsentiert. "Da habe ich alle Register gezogen, die ich ziehen kann. Von der Optik her und auch von der Akustik her. Es ist kein Schlageralbum im herkömmlichen Sinne, sondern es zeigt, was alles möglich ist. Was man mit guten deutschen Texten mit Tiefgang bewegen kann", sagt Nicole. Die Videos zu den Liedern hat sie in Südafrika aufgenommen. Das sei auch ein Traum gewesen, den sie sich zum 50. Geburtstag erfüllen wollte, dass "die Leute meine neuen Songs nicht zur zum Hören, sondern auch zum Sehen bekommen. Südafrika ist noch dazu mein Lieblingsland, meine Leidenschaft." Ein Titel heiße ja deshalb auch "Afrika", da höre man auch afrikanische Gesänge und Trommeln. Jeder Titel der DVD sei in einem anderen Outfit und an einem anderen Ort verfilmt worden, schwärmt Nicole. Es gebe nirgendwo auf der Welt einen Ort, an dem das Licht so golden sei wie in Südafrika .

Ihr Siegerlied von 1982 "Ein bisschen Frieden", gesungen, als in Deutschland Hunderttausende gegen den atomaren Overkill der Nato-Nachrüstung demonstrierten, sei ein "Evergreen". "Das sagen Sie aber laut", betont Nicole ernst. "Wann immer ich dieses Lied anstimme und gerade in der letzten Zeit, den letzten Wochen und Monaten, wo es in Syrien kracht und in der Ukraine, dann ist das unglaublich, was in den Menschen vor sich geht. Sie fassen sich an der Hand, die Feuerzeuge leuchten, viele machen ein Peace-Zeichen und einige fangen sogar an, zu weinen", berichtet sie von ihren Konzerterlebnissen. Sie werde oft von Journalisten gefragt: Wie oft haben Sie es denn schon gesungen? "Ich weiß nicht wie oft. Aber anscheinend nicht oft genug", sagt die Sängerin leise.

Gelegenheit, "ihr" Lied zu singen, hat sie im kommenden Jahr genug. Ab Mitte April geht sie mit Band auf Tournee, da will sie die Bühne rocken, es brenne ihr "wieder unter den Sohlen". Finanziell nötig ist das für sie nicht, es sei die "Leidenschaft für den Beruf". Dabei haben Herkunft und Erziehung wohl gehörig dazu beigetragen, dass die in Saarbrücken als Nicole Hohloch geborene Sängerin ihre Finanzen im Griff hat. "Ich bin ein Mensch, der sehr sparsam erzogen worden ist. Ich wuchs mit drei Geschwistern in einem Haushalt auf, in dem nie viel Geld da war, mein Vater war Alleinverdiener, Urlaub war ein Fremdwort, bis ich mit 16 mein erstes Geld verdient habe. Ein paar Tage Ibiza waren der einzige Luxus, den ich mir damals mit meiner Schwester und meinem damaligen Freund und heutigem Ehemann gegönnt habe", sagt Nicole.

Ob sie sich vorstellen kann, auch mit 80 Jahren wie Udo Jürgens noch Konzerte zu geben? "Nein! Da bin ich ganz ehrlich. Wenn einmal ein Hut auf der Bühne zu sehen ist, dann ist das mein letzter Auftritt. Ich ziehe ja bei meinen Konzerten seit Jahrzehnten immer am Schluss, wenn ich mich vor dem Publikum verneige, einen imaginären Hut. Wie D'Artagnan, der sich mit dem Federhut verbeugt. Der alles entscheidende wird dann echt sein", sagt Nicole entschieden. Der Abschied werde auch nicht angekündigt, das entscheide sie aus dem Bauch heraus. "Ich werde jedenfalls auf leisen Sohlen Servus sagen." Aber das dauere noch eine Weile, dafür mache ihr die Musik einfach zu viel Spaß. Wenn bei einem der nächsten Eurovision Song Contests nicht wieder ein Wunder wie 1982 passiert, wird Nicole noch viele Jahre der bekannteste Star aus dem Saarland bleiben.

 Heute und vor 32 Jahren: Nicole mit dem SZ-Journal, auf dessen Titel sie im April 1982 zu sehen ist.

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 Eine junge Frau begeistert Europa: Nicole singt 1982 beim Grand Prix d'Eurovision „Ein bisschen Frieden“ – und gewinnt.

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Zur Person
Nicole Seibert , geboren am 25. Oktober 1964 in Saarbrücken (Mädchenname Hohloch). Erste Hitparaden-Erfolge 1981 mit Produzent Ralph Siegel ("Flieg nicht so hoch, mein kleiner Freund"). Ihr Siegerlied vom Grand Prix d'Eurovision 1982 in Harrogate ("Ein bisschen Frieden") verkauft sich mehr als fünf Millionen Mal. 1984 heiratet sie den Kfz-Sachverständigen Winfried Seibert. Sie bezeichnet sich selbst als "gläubigen Menschen", der oft allein in die Kirche husche, um Zwiesprache mit Gott zu halten. dik

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