Missbrauch lastet weiter auf katholischer Kirche

Regensburg · Der Missbrauchs-Skandal sorgt für Kontroversen auf dem Katholikentag in Regensburg. Die Opfer machen Druck und werfen der Amtskirche Inkonsequenz vor. Und der Trierer Bischof Stephan Ackermann löst Irritationen aus.

"Wer sich an Kindern vergangen hat, sollte nicht mehr Priester sein dürfen", sagt Matthias Katsch. Dieser Satz klingt aus dem Mund eines Mannes, der in einer katholischen Schule jahrelang sexuell missbraucht wurde, logisch und folgerichtig. Nicht so für die Amtskirche: Hier dürfen Geistliche, wenn sie sich "einsichtig" zeigen, nicht selten weiterarbeiten. Was für Opfer eine neue Demütigung ist, illustriert auf besondere Weise, dass die katholische Kirche bei der Aufarbeitung des Missbrauchs-Skandals, der sie vor vier Jahren in den Grundfesten erschütterte, noch einen langen Weg vor sich hat.

"Das Thema ist nicht vorbei und muss präsent bleiben", sagt Stephan Ackermann, Bischof von Trier und Missbrauchsbeauftragter der Bischofskonferenz. Und präsent ist es beim Katholikentag in Regensburg. Ackermann stellt sich dort einer Podiumsdiskussion und gerät in die Defensive, als er von null Toleranz gegenüber den Taten spricht, aber nicht gegenüber den Tätern, deren individuelle Schuld man differenziert betrachten müsse. "Wenn Sie hier nicht klar sind, desavouieren Sie all das, was an der Basis an Aufklärung und Prävention geleistet wird", entgegnet Katsch, Mitbegründer der Opfervertretung "Eckiger Tisch".

Tatsächlich war die katholische Kirche nach dem beispiellosen Skandal nicht untätig. Sie zahlte mehr als 1000 Opfern im Schnitt 5000 Euro Entschädigung und bot andere individuelle Hilfen an, erließ Leitlinien zum Umgang mit sexuellem Missbrauch, setzte Präventionsbeauftragte in jedem Bistum ein. Sie schult alle Mitarbeiter bis hin zu den Bischöfen, damit Missbrauch schneller erkannt und angezeigt werden kann. Zudem startete sie nach einigem Hin und Her ein Forschungsprojekt, mit dem Ursachen und Konsequenzen des jahrzehntelangen Missbrauchs sowie der Vertuschung analysiert werden sollen.

"Wir sind weiter als vor vier Jahren", sagt Ackermann. So sieht es auch der Jesuit Klaus Mertes, der Missbrauchsfälle am Berliner Canisius-Kolleg aufdeckte und damit 2010 die Enthüllungswelle auslöste, die den Kreislauf aus Verschweigen und Vertuschen durchbrach.

Angriff auf die Männerkirche

Allerdings gibt es im Klerus teils erhebliche Widerstände. Das mag daran liegen, dass das Thema gerade für die Kirche grundlegender Natur ist und über die Missbrauchsfälle hinausreicht. Denn es rührt auch an ihr Selbstverständnis als Institution, berührt Fragen der kirchlichen Autorität und Tradition, der Männerkirche, der aus Sicht vieler überkommenen Sexualmoral, ihrer Spiritualität.

Katsch wünscht sich, dass die Bischöfe das Problem mehr aus der Perspektive der Opfer angehen. Und nicht primär darauf schauen, welche Folgen der Skandal für die Kirche hat. Und: "Die Bischofskonferenz sollte einen Gesprächsfaden mit den Opfern knüpfen." Das will nun zunächst Papst Franziskus tun, der sexuellen Missbrauch durch Geistliche jüngst mit drastischen Worten als "schwarze Messe" verurteilte. Hier könne es nur null Toleranz geben, versprach Franziskus. Über die genaue Bedeutung dieser Formulierung gibt es offensichtlich aber unterschiedliche Vorstellungen in der Kirche.

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