„Die Botschaft ist das Gute“

„Max und Moritz“ ist, so könnte man sagen, der Klassiker unter den Comics. Generationen haben die von Busch gezeichneten und gereimten Streiche gelesen. Sind die Geschichte über die beiden bösen Buben noch zeitgemäß? Darüber sprach SZ-Redakteurin Iris Neu mit dem Kölner Sozialpädagogen, Psychologen und Erziehungswissenschaftler Albert Wunsch.

Was macht eigentlich den Erfolg der "Max und Moritz "-Geschichten von Wilhelm Busch aus?

Wunsch: Kinder können sich sehr intensiv mit den Figuren identifizieren. Aber auch Erwachsene können das. Es handelt sich um eine sehr nachvollziehbare Art der Darstellung. Nicht kompliziert, sondern nah und warm. Da hat man häufig das Gefühl, man hat das selbst schon erlebt.

Aber so harmlos sind die Streiche doch nicht. Vor allem geht es nicht gewaltlos zu: Am Ende werden die beiden bösen Buben durch die Mühle gedreht, geschrotet und vom Federvieh verspeist. Dennoch: Früher lasen Kinder ganz selbstverständlich "Max und Moritz ". Würden Sie sagen, dass die Geschichte überhaupt für Kinder geeignet ist?

Wunsch: Mir wäre es lieber, wenn Kinder durch solche Geschichten abgehalten würden, Unsinn zu machen, als dass sie sich mit Comics beschäftigen, die eine solche innere Botschaft nicht haben. Heute sind viele Zeichentrickbücher oder -filme entweder morallos oder zumindest fragwürdig. So wie etwa der Animationsfilm "Minions", der derzeit von Kindern wie Erwachsenen gleichermaßen konsumiert wird. Darin geht es um kleine gelbe Wichte, die sich nur dadurch unterscheiden, dass sie entweder ein oder zwei Augen haben. In dem Film ist das ultimativ Böse das Wichtige, das ist auch die Botschaft.

Wenn man so will, gibt es das Böse aber auch in "Max und Moritz ".

Wunsch: Ja, aber die Botschaft ist das Gute. Jedes Kind versteht, dass es keine angenehme Lebensperspektive ist, wenn man als Folge von Boshaftigkeit am Ende von Hühnern verspeist wird. Kinder können sich leicht mit der Handlung identifizieren und erkennen, was man besser nicht tun sollte.

Ist das nicht auch ein wenig moralisierend?

Wunsch: Natürlich lehrt es auch Moral. Die Geschichte gibt im pädagogischen Sinne Hinweise, wie man handeln soll. Und mit welchem Tun man sich Probleme einhandelt.

Aber verstehen Kinder heute solche Geschichten tatsächlich noch?

Wunsch: Ich denke, dass Kinder noch so viel Zugang zur Natur und zu realen Lebensbedingungen haben, dass sie das verstehen können. Ich habe den Eindruck, dass diese einfache Bildsprache wesentlich verständlicher ist, als vieles von dem, was heute auf die Kinder eindringt.

Bilder mit Reimen - wie sieht es damit aus? Ist das heute noch zeitgemäß?

Wunsch: Bilder sind natürlich immer zeitgemäß - heute mehr denn je. Auch wenn sie, wie bei Max und Moritz , nicht bewegt sind. Aber das Schöne bei Wilhelm Busch ist, dass die Bewegung der Bilder im Kopf einsetzt. Kinder sollten ja auch die Möglichkeit haben, vor dem Hintergrund von Informationen und Geschichten bewegte Bilder im Kopf entstehen zu lassen. Damit wird die Fantasie angeregt. Diese Bilder kann ein Kind wiederum nur so konstruieren, wie es denken und empfinden kann. Und Reime helfen dabei, sich Dinge besser zu merken. Die Sprachmelodie trägt dazu bei, das Aufgenommene besser im Kopf abrufen zu können.

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