Wenn Hooligans Auslauf haben

Köln/Saarbrücken · Es sollte angeblich eine Demonstration gegen Salafisten sein, doch dann eskalierte die Gewalt. Hooligans und Rechtsradikale verwüsteten am Sonntag die Kölner Innenstadt. Auch Saarländer waren wohl dabei.

Die Demonstration war ganz im Sinne ihrer Erfinder: Rund 4800 Hooligans und Rechtsradikale aus vielen Teilen Deutschlands kamen am Sonntag nach Köln und verwandelten die Innenstadt rund um den Hauptbahnhof in ein Schlachtfeld. Sie warfen Steine, Flaschen, Feuerwerkskörper, verletzten 49 Beamte. Ein Ausbruch der Gewalt , wie ihn Deutschland lange nicht erlebt hat. "Deutschland den Deutschen", hallte es durch die Straßen. Die Polizei setzte Pfefferspray, Schlagstöcke und Wasserwerfer ein. Erst in der Nacht normalisierte sich die Lage. 17 Verdächtige kamen in vorläufigen Gewahrsam. Gegen 57 Verdächtige ermittelt die Staatsanwaltschaft, unter anderem wegen Körperverletzung und Landfriedensbruch.

Treibende Kraft für die Demonstration war laut Polizei und Verfassungsschutz die Hooligan-Szene, die sich unter dem Motto "Hooligans gegen Salafisten " zusammengeschlossen hat und über soziale Netzwerke zur Teilnahme aufgerufen hatte. Die Kundgebung war von einem Funktionär der Anti-Islam-Partei "Pro NRW" angemeldet worden, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Die Versammlung leiten durfte er aber nicht. Seine Partei hatte es verboten.

"Man kann sich das wie eine Demonstration der deutschen Rausschmeißer-Szene vorstellen", erklärt der Saarbrücker Fan-Experte Jörg Rodenbüsch. Tätowierte Kampfsportmaschinen, die "richtig Bock" auf eine Eskalation gehabt hätten. Seit fast 30 Jahren beschäftigt sich Rodenbüsch mit "Hools" und Nazis, kennt die Lage im Saarland bestens. "Es waren sicher auch einige Kurzgeschorene aus Saarbrücken, Homburg und Neunkirchen in Köln dabei. Da muss man sich nur deren Facebook-Profile anschauen." Rodenbüsch ist bei der Arbeiterwohlfahrt zuständig für die Koordination von vier und Sprecher von insgesamt elf Fanprojekten. "Wenn bei einer normalen Demo 90 Prozent friedlich sind und zehn Prozent gewaltbereit, war das Verhältnis in Köln wohl genau umgekehrt", sagt Rodenbüsch. Er glaubt, dass die Polizei die Lage unterschätzt hat: "Nur rund 20 Festnahmen sind ein Indiz." Auch dass die Ausschreitungen bis in den Morgen gedauert hätten, deute darauf, dass die Polizei nicht genügend Einsatzkräfte vor Ort hatte.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD ) widersprach dieser Kritik, die auch von der NRW-CDU geäußert wurde. "Das Polizeikonzept hat funktioniert", betonte er. Die Polizei sei davon ausgegangen, dass etwa 4000 statt der von den Veranstaltern genannten 1500 Teilnehmer kommen würden. Dabei sei der Protest gegen Salafismus nur vorgeschoben gewesen, tatsächlich hätten die Teilnehmer der Versammlung Gewalt ausüben wollen und dafür das Demonstrationsrecht missbraucht. "Sie wollten Spaß haben, mehr nicht", sagt auch Rodenbüsch.

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD ) erklärte gestern: "Wer Gewalt in Deutschlands Städte trägt, der muss mit allen Mitteln des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden." Der Staat dürfe nicht zulassen, "dass sich gewalttätige Salafisten und Rechtsextreme gegenseitig hochschaukeln".

Bei gut zehn Prozent der 4800 Demonstranten hatte es sich nach Einschätzung des Staatsschutzes um Rechtsextreme gehandelt, darunter Mitglieder der NPD , der Partei "Die Rechte" sowie verbotener Neonazi-Kameradschaften. Der Rest kam aus der Hooligan-Szene, die sich oft am rechten Rand bewegt, sich aber als unpolitisch bezeichnet. Vor zwei Jahren hatte sie sich zusammengeschlossen, um einen "gemeinsamen Feind" zu bekämpfen. Damals waren es die Ultras in den Stadionkurven - heute sind es Salafisten . Dieser Kampf ist auf jeden Fall öffenlichkeitswirksamer. Das freut die "Hools".

Meinung:

Neue Qualität der Gewalt

Von SZ-RedakteurMichael Kipp

Diese Demonstration gegen Salafisten war ein Akt der Gewalt . Das könnte daran liegen, dass die Polizei die Lage unterschätzt hat. Das liegt aber vor allem daran, dass Hooligans und Rechte die Demo organisiert hatten. Für sie hat Gewalt einfach Freizeitwert. Und den leben sie derzeit unter dem Deckmantel eines deutschen Konsensthemas aus: dem Kampf gegen den islamischen Extremismus. Das ist ein großes Problem.

Denn offenbar schauen nicht alle hinter den Konsens-Vorhang und sehen nicht, wie gefährlich diese Allianz ist. Spätestens wenn sie wächst, haben wir eine neue Qualität der Gewalt in Deutschland, dann war Köln nur der Vorgeschmack. Sollten Salafisten Gefallen daran finden, sich den Demonstranten entgegenzustellen, haben wir Demos auf den Straßen, gegen die die großen Mai-Proteste wie harmlose Straßenfeste daherkommen. Daher muss jetzt aufgeklärt werden. Die "Hogesa" und ihre Ziele müssen gläsern sein und jedem muss bewusst sein, dass man Extremismus nie mit Extremismus bekämpfen kann.

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