Ein SR-Intendant, der Kraft aus der Harmonie schöpft

Saarbrücken. Thomas Kleist trug eine rot gestreifte Krawatte zum schwarzen Anzug. Auch seine Frau Ingrid (55) erschien in rot-schwarzem Outfit. Zufall? Zumindest passte das Farbenspiel zu Kleists Eigen-Positionierung als "unabhängiger und engagierter Streiter für die Belange des SR"

Saarbrücken. Thomas Kleist trug eine rot gestreifte Krawatte zum schwarzen Anzug. Auch seine Frau Ingrid (55) erschien in rot-schwarzem Outfit. Zufall? Zumindest passte das Farbenspiel zu Kleists Eigen-Positionierung als "unabhängiger und engagierter Streiter für die Belange des SR". Mit dieser Formulierung hatte sich das SPD-Landesvorstandsmitglied, einst Staatssekretär unter Oskar Lafontaine und Reinhard Klimmt, in den vergangenen Wochen den 35 Rundfunkrats-Mitgliedern als parteiübergreifender Kandidat empfohlen. Als gestern die Schlacht nach sieben Wahlrunden gewonnen war, zielten Kleists erste Worte vor dem Gremium genau darauf: "Lassen Sie uns die Reihen wieder zusammenführen". Später sagte er: "Ich bin ein Mensch, der seine Kraft aus der Harmonie schöpft." So betrachtet dürfte Kleist dieser Tage massiv an Energie eingebüßt haben. Denn nachdem sowohl der CDU-Favorit - Arte-Programmdirektor Christoph Hauser (54) - wie auch Kleist am Montag die erforderliche Zweidrittel-Mehrheit in drei Wahlgängen erheblich verfehlt hatten, lief von da an ein ruppiges Gezerre zwischen Rot und Schwarz um "graue" Stimmen im Rat. So nahm der Lagerkampf gestern Züge eines unkalkulierbaren Gerangels an. Hatte Kleist am Montag noch durchgängig 18 Räte auf seiner Seite, warf ihn der vierte Wahlgang auf 16 Stimmen zurück, Hauser bekam 18. Danach schnellte Kleist wieder auf 18 hoch (Hauser: 17). Doch erst im siebten Durchgang reichte eine Stimme Vorsprung zum Sieg, weil ab diesem Zeitpunkt die einfache Mehrheit genügt. Was für ein Krimi? SR-Mitarbeiter reagierten unwirsch: "So kann man mit 550 Leuten, die hier beschäftigt sind, nicht herumspielen", hieß es. Doch um 14.03 Uhr, als nach knapp einer Stunde Kleist als Nachfolger des verstorbenen Fritz Raff feststand, war alles vergessen. Kleist schüttelte nicht nur Hände, es gab Küsschen und Umarmungen - ein Zeichen dafür, wie intensiv Kleist mit dem SR verbunden ist. Dies bereits über 20 Jahre, zunächst als Rundfunkrats-Mitglied, seit 2000 als Vorsitzender des Verwaltungsrates. Hauser stand dagegen als ausgewiesener "Programmmacher" zur Wahl.Der in Oberlinxweiler lebende Kleist ist für sechs Jahre gewählt. Zum 1. Juli will er sein Amt antreten. Kleist sei ein "intimer Kenner der europäischen und deutschen Medienwelt und des öffentlich-rechtlichen Rundfunksystems", sagte der Vorsitzende des Rundfunkrates Volker Giersch vor Medienvertretern. Kleist nannte drei Schwerpunkte seiner zukünftigen Arbeit: die Existenzsicherung des SR, dessen finanzielle Absicherung durch den Finanzausgleich sowie neue Programm-Inhalte für junge Hörer. Demonstrativ stellte er sich zudem in die Tradition von Raff. Letzterer war ebenfalls ein "roter" Intendant - mit CDU-Rückendeckung. Auch Kleist wurde im Verwaltungsrat, der CDU-dominiert ist, schon mehrfach wiedergewählt. Wird also alles doch recht schnell wieder gut?

Jedenfalls wollte die SPD gestern kein Salz in CDU-Wunden streuen. Niemand thematisierte die Personal-Schlappe der CDU und Jamaikaner. Dass es sich um eine solche handelte, leugnete Staatskanzlei-Chef Karl Rauber (CDU) freilich nicht: "Ich kann mit Niederlagen umgehen. Ich hatte davon mehr im Leben als Siege", erklärte er gegenüber der SZ. Rauber hob noch einmal darauf ab, dass die SPD - Heiko Maas - Zusagen nicht eingehalten habe. Die da gelautet hatten: Die CDU bestimmt diesmal den Intendanten, die SPD hat dafür ein Vorschlagsrecht für den Programmdirektor-Posten. Offensichtlich, so Rauber, habe Maas die Kandidatur von Kleist nicht verhindern können. Tatsächlich darf man Kleist als "Mann auf eigene Faust" betrachten. Er ist Langstreckenläufer mit Marathon-Erfahrung. Also hat er nicht nur von seinem Traumjob als SR-Intendant geträumt, sondern sich das Amt als Lebens-Zielmarke gesteckt. Der Vater von zwei Kindern scheint wie gemacht fürs saarländische Herz: verbindlich, kommunikativ, heimatverbunden, familienorientiert. Und das saarländische Herz schlägt eben nicht nur links.

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