Der Westen lässt Putin alleine feiern

Möglichst allein soll Kremlchef Wladimir Putin auf der Tribüne am Roten Platz bei der Militärparade zum Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland stehen. So hätte es der Westen gern am 9. Mai. Das auf den Triumph von einst so stolze Land soll wegen seiner Politik in der Ukraine bestraft und international isoliert werden - ausgerechnet zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, den Moskau groß feiert. Der 9. Mai - der Tag, an dem 1945 kurz nach Mitternacht die letzte Unterschrift unter die Kapitulation Nazi-Deutschlands erfolgte - wird wie in jedem Jahr in Russland ausgelassen gefeiert. Nicht zuletzt plant Moskau eine Waffenschau, die der Welt seine wiedererlangte Stärke und kompromisslose Verteidigungsbereitschaft demonstrieren soll. 26 Staats- und Regierungschefs haben ihre Teilnahme an der bombastischen Waffenschau zugesagt, wie der Kreml mitteilt. Zudem ist UN-Generalsekretär Ban Ki Moon unter den Gästen, was die Russen besonders beglückt. Auch die Staatschefs von China und Indien kommen. Doch anders als noch zum 60. Jahrestag sind es diesmal deutlich weniger Gäste. 2005 waren es noch 40 Staats- und Regierungschefs. Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush reisten an, um vor allem den Veteranen die Ehre zu erweisen. 68 ausländische Staats- und Regierungschefs waren nun zu den Feierlichkeiten eingeladen worden. Wegen der Annexion der Krim und der russischen Intervention in der Ostukraine hagelte es jedoch Absagen. Weder US-Präsident Barack Obama noch Großbritanniens David Cameron oder Frankreichs Präsident Hollande nehmen teil. Lediglich Bundeskanzlerin Angela Merkel legt am 10. Mai einen kurzen Halt in Moskau ein, um zusammen mit Wladimir Putin am Grab des unbekannten Soldaten einen Kranz niederzulegen. Sie will damit dem Einwand des russischen Vertreters bei der EU, Wladimir Tschischow, den Wind aus den Segeln nehmen. Der hatte von einer "anstößigen Kampagne" gesprochen, mit der die fernbleibenden Politiker "das Gedenken an jene sowjetischen Soldaten beleidigen, die im Krieg gegen den Faschismus gefallen sind". Eben das wollte die Kanzlerin vermeiden. Sie wird der Rolle und dem hohen Blutzoll der Roten Armee bei der Befreiung Deutschlands Rechnung tragen, ohne sich vom Kremlchef vor den Wagen seiner Interventionspolitik spannen zu lassen. Offiziell schlägt die russische Propaganda nämlich den Bogen vom antifaschistischen Kampf gegen den Nationalsozialismus bis hin zum Widerstand gegen die vermeintliche "faschistische Junta" in der Ukraine. Die Vermengung von Vergangenheit und Gegenwart ist eine bewusste Methode russischer Propaganda. Wer will, könnte aus einer Teilnahme an der Parade auch ein Quäntchen Berechtigung für das russische Aufrüstungsbestreben und die von Moskau behauptete Bedrohung herauslesen. Die Führungsriege des Landes erweckt zwar den Eindruck, als ließe sie sich von den Absagen aus dem Westen nicht beeindrucken, doch die Gelassenheit täuscht. Wenn Kremlchef Wladimir Putin oder Außenminister Sergej Lawrow sich dazu äußern, dann ist ein eingeschnappter Unterton nicht zu überhören. Jeder Staat habe selbst über eine Teilnahme zu entscheiden, sagte Putin und warnte davor, das Kriegsgedenken für "geopolitische Machtspiele" zu missbrauchen. Russische Kommentatoren sprechen von einem "beispiellosen Affront". Aus der EU sagte bislang nur Zyperns Präsident Nikos Anastasiades zu, die Bestätigung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras steht unterdessen noch aus. Ein wenig überrascht, dass anscheinend auch der nationalkonservative ungarische Regierungschef Victor Orban der Veranstaltung fernbleiben könnte. Moskaus politische Führung hat für die Absagen eine einfache Erklärung parat: Druck aus Washington. Vergangene Woche meldete auch Nordkorea, dass Kim Jong Un nicht unter den Gästen sein werde. Er hätte die Fantasien über Russlands propagierte Wende Richtung Asien noch etwas beflügeln können. Mächtigster Staatsgast auf der Parade dürfte nun der chinesische Präsident Xi Jinping sein. Auch die Teilnahme der Kollegen aus Indien und Südafrika, die wie China und Russland zum Zusammenschluss der aufstrebenden BRIC-Staaten gehören, nimmt Moskau mit spürbarer Erleichterung auf. Je isolierter der Kremlchef dasteht, desto wichtiger ist es für ihn, sich zuhause als international einflussreicher Politiker zu präsentieren, der im Kreise der Mächtigen nach den außenpolitischen Beutezügen noch mehr Gehör findet.

Möglichst allein soll Kremlchef Wladimir Putin auf der Tribüne am Roten Platz bei der Militärparade zum Sieg der Sowjetunion über Hitlerdeutschland stehen. So hätte es der Westen gern am 9. Mai. Das auf den Triumph von einst so stolze Land soll wegen seiner Politik in der Ukraine bestraft und international isoliert werden - ausgerechnet zum 70. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs, den Moskau groß feiert.

Der 9. Mai - der Tag, an dem 1945 kurz nach Mitternacht die letzte Unterschrift unter die Kapitulation Nazi-Deutschlands erfolgte - wird wie in jedem Jahr in Russland ausgelassen gefeiert. Nicht zuletzt plant Moskau eine Waffenschau, die der Welt seine wiedererlangte Stärke und kompromisslose Verteidigungsbereitschaft demonstrieren soll. 26 Staats- und Regierungschefs haben ihre Teilnahme an der bombastischen Waffenschau zugesagt, wie der Kreml mitteilt. Zudem ist UN-Generalsekretär Ban Ki Moon unter den Gästen, was die Russen besonders beglückt. Auch die Staatschefs von China und Indien kommen. Doch anders als noch zum 60. Jahrestag sind es diesmal deutlich weniger Gäste. 2005 waren es noch 40 Staats- und Regierungschefs. Bundeskanzler Gerhard Schröder und US-Präsident George W. Bush reisten an, um vor allem den Veteranen die Ehre zu erweisen.

68 ausländische Staats- und Regierungschefs waren nun zu den Feierlichkeiten eingeladen worden. Wegen der Annexion der Krim und der russischen Intervention in der Ostukraine hagelte es jedoch Absagen. Weder US-Präsident Barack Obama noch Großbritanniens David Cameron oder Frankreichs Präsident Hollande nehmen teil. Lediglich Bundeskanzlerin Angela Merkel legt am 10. Mai einen kurzen Halt in Moskau ein, um zusammen mit Wladimir Putin am Grab des unbekannten Soldaten einen Kranz niederzulegen. Sie will damit dem Einwand des russischen Vertreters bei der EU, Wladimir Tschischow, den Wind aus den Segeln nehmen. Der hatte von einer "anstößigen Kampagne" gesprochen, mit der die fernbleibenden Politiker "das Gedenken an jene sowjetischen Soldaten beleidigen, die im Krieg gegen den Faschismus gefallen sind". Eben das wollte die Kanzlerin vermeiden.

Sie wird der Rolle und dem hohen Blutzoll der Roten Armee bei der Befreiung Deutschlands Rechnung tragen, ohne sich vom Kremlchef vor den Wagen seiner Interventionspolitik spannen zu lassen. Offiziell schlägt die russische Propaganda nämlich den Bogen vom antifaschistischen Kampf gegen den Nationalsozialismus bis hin zum Widerstand gegen die vermeintliche "faschistische Junta" in der Ukraine. Die Vermengung von Vergangenheit und Gegenwart ist eine bewusste Methode russischer Propaganda. Wer will, könnte aus einer Teilnahme an der Parade auch ein Quäntchen Berechtigung für das russische Aufrüstungsbestreben und die von Moskau behauptete Bedrohung herauslesen.

Die Führungsriege des Landes erweckt zwar den Eindruck, als ließe sie sich von den Absagen aus dem Westen nicht beeindrucken, doch die Gelassenheit täuscht. Wenn Kremlchef Wladimir Putin oder Außenminister Sergej Lawrow sich dazu äußern, dann ist ein eingeschnappter Unterton nicht zu überhören. Jeder Staat habe selbst über eine Teilnahme zu entscheiden, sagte Putin und warnte davor, das Kriegsgedenken für "geopolitische Machtspiele" zu missbrauchen. Russische Kommentatoren sprechen von einem "beispiellosen Affront". Aus der EU sagte bislang nur Zyperns Präsident Nikos Anastasiades zu, die Bestätigung des griechischen Ministerpräsidenten Alexis Tsipras steht unterdessen noch aus. Ein wenig überrascht, dass anscheinend auch der nationalkonservative ungarische Regierungschef Victor Orban der Veranstaltung fernbleiben könnte. Moskaus politische Führung hat für die Absagen eine einfache Erklärung parat: Druck aus Washington.

Vergangene Woche meldete auch Nordkorea, dass Kim Jong Un nicht unter den Gästen sein werde. Er hätte die Fantasien über Russlands propagierte Wende Richtung Asien noch etwas beflügeln können. Mächtigster Staatsgast auf der Parade dürfte nun der chinesische Präsident Xi Jinping sein. Auch die Teilnahme der Kollegen aus Indien und Südafrika, die wie China und Russland zum Zusammenschluss der aufstrebenden BRIC-Staaten gehören, nimmt Moskau mit spürbarer Erleichterung auf. Je isolierter der Kremlchef dasteht, desto wichtiger ist es für ihn, sich zuhause als international einflussreicher Politiker zu präsentieren, der im Kreise der Mächtigen nach den außenpolitischen Beutezügen noch mehr Gehör findet.

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Hintergrund70 Jahre nach dem Sieg über Hitlerdeutschland meiden westliche Staatschefs wegen der Ukraine-Krise die große Militärparade in Moskau. Russland fühlt sich deswegen um seinen historischen Sieg betrogen. "Niemand kann Russland seinen herausragenden Beitrag zum Sieg über den Nationalsozialismus streitig machen", sagt jedoch der Experte Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut (DHI). Mehr als 27 Millionen Bürger der Sowjetunion seien während der deutschen Besatzung ermordet worden oder während der Kämpfe gegen die deutschen Truppen gefallen. Neun von zehn gefallenen Wehrmachtssoldaten seien zudem an der Ostfront gestorben. "Damit wird deutlich, dass die Sowjetunion die Hauptlast des Krieges trug und damit auch den größten Anteil am Sieg hatte", sagt Uhl. Die große Verehrung für Sowjetdiktator Josef Stalin in Russland interpretiert der Historiker als "Suche nach Personen, die den Kriegserfolg personifizieren können. Man braucht diese großen Lichtgestalten, die das Volk zum Sieg führen. Sonst besteht die Gefahr, dass das große persönliche Leid den Sieg eintrübt." Der einzelne Soldat spiele in der russischen Erinnerungskultur kaum eine Rolle. Schon in den Augen vieler Generäle sei damals der Einzelne eher Kanonenfutter gewesen. Dass russische Medien das Siegesgedenken seit Wochen zelebrieren, ist für Uhl "der verzweifelte Versuch, das Gedenken in die inzwischen dritte Generation herüberzutragen. Die Kriegsteilnehmer sterben langsam weg, und das macht das Erinnern schwierig." dpa

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