„Krankheit steht im Fokus der Ärzteschaft“

Ausgerechnet Merzig-Wadern. Ausgerechnet im idyllischen „grünen Kreis“ sollen die Menschen so depressiv sein wie nirgendwo sonst in Deutschland. Doch der Grund für die hohe Zahl von Krankschreibungen dürfte ein anderer sein, erklärt Gunter Hauptmann, Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Saarland, im Gespräch mit SZ-Redakteur Thomas Schäfer.

Herr Hauptmann, in Merzig-Wadern werden bundesweit am meisten Menschen wegen Depressionen krankgeschrieben. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Gunter Hauptmann: Ich denke, das ist relativ einfach. Merzig war über Jahrzehnte bekannt für sein Landeskrankenhaus, wo psychisch Kranke aus dem gesamten Saarland behandelt wurden. Noch heute ist die jetzige SHG-Klinik dort auf psychiatrische und neurologische Erkrankungen spezialisiert. Und wenn ein Krankenhaus einen solchen Schwerpunkt hat, bietet es auch Fortbildungen für die umliegenden Hausärzte, für Psychotherapeuten oder auch Selbsthilfegruppen an. Das heißt, dass sich die Kollegen in Merzig-Wadern seit vielen Jahren mit dem Krankheitsbild intensiv befassen. Dadurch werden auch entsprechende Diagnosen häufiger zur Abrechnung gebracht.

Die Ärzteschaft in Merzig-Wadern kennt sich also einfach besonders gut aus?

Hauptmann: Richtig, so kann man es ausdrücken. Ich stelle eine Diagnose umso häufiger, je besser ich das Krankheitsbild kenne. Die Ärzte sind besonders sensibilisiert durch ihre Ausbildung und Weiterbildung.

Die hohe Zahl der Krankschreibungen, die auf den ersten Blick erschreckend wirkt, ist also eigentlich etwas Gutes? Weil den Menschen oft geholfen wird?

Hauptmann: Ja, es ist kein Zeichen für viele depressive Menschen. Sondern dafür, dass die Krankheit im Fokus der Ärzteschaft steht. Auch wenn der Patient es nicht thematisiert, erkennt der Arzt schneller eine Depression, weil er gut geschult ist. Eine leichte Depression zu erkennen, bevor eine schwere daraus wird, das ist die Kunst.

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