Neue Hoffnung – alte Nöte

Die Griechen feiern ihren neuen Hoffnungsträger, und Europa schaut zu. Dass Alexis Tsipras seine erste Auslandsreise als Ministerpräsident nicht nach Brüssel , Berlin oder Paris, sondern zu den schuldgeplagten Leidensgenossen auf Zypern unternehmen will, steckte man im Hauptquartier der Union gestern zumindest äußerlich ungerührt weg.

Stattdessen signalisierte man Gesprächsbereitschaft: "Wir sind offen, mit einer neuen Regierung Gespräche aufzunehmen, sobald sie gebildet ist", kommentierte ein Sprecher der Kommission gestern die neue Links-Rechts-Koalition bei den Hellenen.

Und auch die Finanzminister der Euro-Gruppe, die zu ihrem turnusmäßigen Treffen nach Brüssel gekommen waren, wollten nur "über die Entwicklung reden". Jeroen Dijsselbloem , der niederländische Vorsitzende der 19 Länder mit Gemeinschaftswährung, machte aber bereits klar: "Sie müssen sich an die Regeln der Euro-Zone halten." Einem Schuldenschnitt erteilte er vorsichtshalber schon mal eine Absage: "Ich denke nicht, dass es da viel Unterstützung gibt." Vom deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble jedenfalls nicht. "Wir haben es in den letzten Jahren immer in der besten Absicht gemacht, Griechenland zu helfen", erklärte er mit Blick auf die milliardenschweren Rettungsprogramme. Es gebe auch "große Fortschritte". Wie es mit denen weitergeht, ist allerdings offen. Denn auch der neue Athener Regierungschef braucht dringend und viel Geld.

Elf Milliarden Euro aus dem zweiten Hilfspaket stehen noch aus, die bis zum 1. März überwiesen werden müssen, wenn die Griechen nicht in ernsthafte Zahlungsprobleme geraten wollen. Auch der Internationale Währungsfonds erwartet noch in diesem Jahr sechs Milliarden Euro an Rückzahlungen. Schäuble: "Niemand drängt Griechenland etwas auf, aber die Verpflichtungen zählen." Und Dijsselbloem ergänzte: "Einfach nach dem Kredit zu fragen, ohne irgendwelche Bedingungen zu erfüllen - das wird nicht funktionieren." Tatsächlich zeigten sich Politiker aller Couleur, Verbandsvertreter und EU-Diplomaten gestern einig, dass die Reformen weitergehen müssen und "ein weiterer Schuldenschnitt für Griechenland undenkbar ist", wie es der Vorsitzende der CDU-Gruppe im Europäischen Parlament, Herbert Reul , ausdrückte. "Bereits der erste Schuldennachlass 2012 verschaffte nur kurz Entlastung", betonte der Chef des Centrums für Europäische Politik (cep) in Freiburg, Lüder Gerken. "Griechenland ist als Produktionsstandort nach wie vor auf den Weltmärkten nicht wettbewerbsfähig." Überregulierung, Bürokratie und "nach wie vor zu hohe Löhne" nannte er als Gründe. "Die Einkommen müssten um mindestens zehn Prozent sinken." Doch abseits der offiziellen Stellungnahmen räumten Vertreter der EU-Kommission durchaus Sorgen vor einem "Flächenbrand" ein. "Wenn Syriza wirklich eine Abkehr vom Spar- und Reformkurs durchsetzt, könnten Bewegungen in Spanien, Italien und Frankreich mit ähnlichen Forderungen Auftrieb erhalten." Schon gestern jubelten die Parlamentarier der EU-kritischen Parteien wie AfD, Ukip und andere über das griechische Wahlergebnis: "Merkel und Juncker sollten das Scheitern der Rettungspolitik eingestehen", forderte die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch.

In Brüssel war man gestern gespannt, wann und in welchem Rahmen es zu ersten Gesprächen mit der neuen Regierung von Alexis Tsipras kommen wird. Der neue Premier dürfte sich spätestens am 12. Februar beim EU-Gipfel dem Kreis der Staats- und Regierungschefs vorstellen. Bisher gehörte es zum guten Ton, eine der ersten Reisen nach Brüssel einzuplanen - vor allem, wenn man hohe Forderungen hat.

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