Dritte Runde im Posten-Poker der EU

Brüssel · Wer EU-Ratspräsident wird, wer Chef der Euro-Gruppe und wer EU-Außenbeauftragter, ist seit Wochen offen. Der EU-Gipfel am Samstag soll nun Fakten schaffen.

Zwei Mal hatten die Staats- und Regierungschefs der EU bereits vergeblich versucht, die neue Spitze der Union personell zu besetzen. Am kommenden Samstag soll ein EU-Gipfel endlich den erhofften Durchbruch bringen. Immerhin will die EU mit positiven Nachrichten aus der Sommerpause heraus starten. Doch seit gestern deutet sich an, dass es hinter den verschlossenen Türen nicht nur friedlich zugehen dürfte. Der scheidende Kommissionspräsident José Manuel Barroso wird sich wohl Vorwürfe anhören müssen, weil er die Versorgung seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht neu geregelt hat. Auslöser des Streits sind die vier ehemaligen Kommissare, die bei der Europawahl am 25. Mai ins Parlament gewechselt sind und nun - trotz der Abgeordnetendiäten von 8020 Euro im Monat plus 4299 Euro Kostenpauschale plus 304 Euro Tagegeld - auch noch fünfstellige Summen zur Abfederung des Übergangs kassieren. Die Rede ist von Beträgen zwischen 10 000 und 15 000 Euro für Viviane Reding , Olli Rehn , Janusz Lewandowski und Antonio Tajani. Doch damit nicht genug. Die vier Wechsler wurden durch neue Kommissare aus ihren jeweiligen Heimatländern ersetzt. Jeder dieser nur bis Ende Oktober amtierenden Ersatzspieler kostet die EU in nur vier Monaten rund 500 000 Euro an Gehalt - zusätzlich zu einer Residenzzulage von 24 000 Euro , Übergangsgeldern nach dem kurzen Gastspiel und späteren Pensionsansprüche.

Britische Diplomaten sprachen gestern in Brüssel von einer "Verhöhnung des Wählers", dem man "im Wahlkampf größere Sparsamkeit versprochen hatte". Dabei sind die Zahlungen durchaus mit den geltenden Statuten für amtierende und ehemalige Kommissare vereinbar, die eigentlich zugesagte Überarbeitung hatte lediglich nicht stattgefunden. Der EU-Gipfel wird am Samstag keine Änderungen vornehmen wollen oder können. Schließlich waren es ja gerade diese 28 Staats- und Regierungschefs , die durch einen Beschluss vor gut einem Jahr eine Verkleinerung der Kommission auf 18 Mitglieder verhindert hatten. Diese war eigentlich längst beschlossen, aber niemand mochte auf seinen Kommissar verzichten. Im Gegenteil, die neuen 28 Bewerber stehen schon in den Startlöchern.

Offen sind lediglich noch drei Positionen. So muss ein Nachfolger für Ratspräsident Herman Van Rompuy gefunden werden, der im Dezember ausscheidet. Nach wie vor gilt die sozialdemokratische dänische Regierungschefin Helle Thorning-Schmidt als Anwärterin, auch wenn sie eine Kandidatur mehrfach abgestritten hat. Auf den künftig hauptamtlichen Posten des Euro-Gruppen-Chefs darf der spanische Finanzminister Luis de Guindos hoffen, nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel bereits Zustimmung signalisierte. Spannend könnte dagegen die Frage werden, wer Lady Catherine Ashton als neuer Außenbeauftragter beerbt. Lange galt der polnische Außenminister Radoslaw Sikorski als sicherer Sieger im Rennen um die Spitze des Auswärtigen Dienstes der EU. Aber einige unkluge politische Äußerungen haben ihn ins Abseits gebracht. Immer häufiger fällt deswegen der Name Kristalina Georgiewa. Die Bulgarin koordiniert als EU-Kommissarin derzeit die humanitäre Hilfe der Union.

"Wir müssen am Samstag zu klaren Entscheidungen kommen", betonte gestern ein hoher EU-Diplomat. Es könne nicht angehen, dass "in der Welt immer mehr Krisen ausbrechen und die EU kann nicht reagieren, weil sie ein ungelöstes Führungsproblem hat". Doch selbst wenn die Staats- und Regierungschefs am Wochenende wirklich zu Entscheidungen kommen - bis die Amtswechsel vollzogen worden sind und die Neuen sich eingearbeitet haben, dürfte es Jahresende sein.

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