„Das ist eine andere Qualität“

Der langjährige deutsche Botschafter in Moskau, Ernst-Jörg von Studnitz, hat zuletzt bis 2014 das deutsch-russische Forum geleitet, einen wirtschaftsnahen Gesprächskreis beider Länder. Unser Berliner Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit dem 77-jährigen Diplomaten über die Chancen der Minsker Vereinbarung.

Wie bewerten Sie das Ergebnis der Verhandlungen insgesamt?

Von Studnitz: Dass es wieder eine Vereinbarung über eine Waffenruhe gibt, ist eine enorme Erleichterung. Obwohl der Zeitraum bis Sonntag sehr lang ist. Ich habe die Sorge, dass bis dahin vor Ort einige Kräfte versuchen, mit Gewalt die Lage zu verändern.

Will Putin die Waffenruhe ernsthaft und kann er sie auch bei den Separatisten durchsetzen?

Von Studnitz: Absolutes Zutrauen in ihn habe ich leider nicht. Es gibt ein englisches Sprichwort: Die Qualität des Puddings zeigt sich erst, wenn man ihn verzehrt. Wir müssen abwarten.

Im Grunde ist ja nur das erste Minsker Abkommen vom September bestätigt worden. Was macht da jetzt den Unterschied aus?

Von Studnitz: Ein Unterschied liegt schon darin, dass jetzt das Prestige der obersten Ebene involviert ist, was im September nicht der Fall war. Also Putin, Poroschenko, Merkel und Hollande. Das ist eine andere Qualität.

Der künftige Status des Donbass bleibt unklar. Welchen Status sollte die Region aus Ihrer Sicht haben?

Von Studnitz: Hierfür gibt es viele denkbare Modelle. So könnte der Donbass einen ähnlichen Status wie Südtirol in Italien bekommen, das sehr große Unabhängigkeit hat. Nicht natürlich bei der Außenpolitik, Verteidigungspolitik und Währungspolitik. Wenn man wirklich eine Lösung will, ist alles möglich.

Aber Putin hat gegenüber der eigenen Bevölkerung die Vision geweckt, Neurussland würde wieder auferstehen, und zwar bis nach Odessa. Er muss gesichtswahrend aus dem Konflikt herauskommen.

Von Studnitz: Von Neurussland war bei ihm in letzter Zeit nicht mehr die Rede. Außerdem hat er sich mit dem Satz festgelegt, dass er die territoriale Integrität der Ukraine nicht antasten wolle. Der Donbass gehört also zur Ukraine. Wenn die Separatisten dort im Rahmen einer Autonomie trotzdem die Dinge weitgehend selbst bestimmen können, hat Putin keine Erklärungsnöte.

Und die Krim ?

Von Studnitz: Wenn man die Krim jetzt einbeziehen würde, würde das alles blockieren. Wenn man politische Lösungen will, muss man sich auf das Machbare konzentrieren. Dazu gehört die Frage der Krim gegenwärtig nicht. Man muss sie zurückstellen.

Falls der Waffenstillstand hält - sollten die EU-Sanktionen gegen Russland zurückgefahren werden?

Von Studnitz: Das wäre zweifellos ein Element der weiteren Beruhigung. Ich kann mir vorstellen, dass es in den internen Gesprächen eine solche Zusage auch gegeben hat. Mindestens sollten die Sanktionen jetzt nicht verschärft werden, bis man gesehen hat, was aus den Vereinbarungen wird.

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