Merkel und das schwarze Loch

Berlin · 15,9 Prozent in Hamburg – das ist das schlechteste CDU-Ergebnis bei einer Landtagswahl seit 1959. Die CDU weiß um ihre bundesweite Schwäche in Großstädten, hat aber offensichtlich kein Rezept dagegen.

Von den Präsidiums- und Vorstandsmitgliedern, die trotz des Rosenmontags zu den Beratungen nach Berlin gekommen waren, wollte im Anschluss niemand mehr etwas sagen. Selbst jene nicht, die sonst im Konrad-Adenauer-Haus keiner Plauderei aus dem Weg gehen. Offenbar saß der Stachel des desaströsen Wahlergebnisses in Hamburg gestern bei den CDU-Granden tief.

Die Union wirkte ratlos. Denn in der Vergangenheit hatten sich schon einige Kommissionen mit den Problemen der Partei in den großen Städten beschäftigt. Außerdem machte man Ende letzten Jahres den Berliner Bundestagsabgeordneten Kai Wegner zum Großstadtbeauftragten, mehrere Strategiepapiere wurden ebenfalls schon verabschiedet. "Es ist eigentlich alles aufgeschrieben", fasste CDU-Chefin Angela Merkel nach den Sitzungen die allgemeine Hilflosigkeit der Christdemokraten in Worte. Auch habe man "oft genug" über Lage und Perspektiven in den Städten gesprochen. Doch eine Wende zum Besseren ist nicht in Sicht. Die CDU hat eine notorische Großstadtschwäche. Keiner der zehn größten deutschen Kommunen steht mehr ein Oberbürgermeister mit CDU-Parteibuch vor. Folgerichtig holte die Union am Sonntag auch nur 15,9 Prozent in der Hansestadt, ein Debakel, "eine ordentliche Klatsche", so Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier nach seiner Ankunft in der Parteizentrale. Ein "bitteres Wahlergebnis", räumte auch Merkel ein.

Die Bestandsaufnahme fiel hinter verschlossenen Türen ernüchternd aus. In den Metropolen fehlen der Merkel-Partei meist die Machtoptionen, so wie jetzt auch in Hamburg . Sie setzt außerdem zu oft auf die falschen Themen oder hat kein Gespür dafür, was die Menschen bewegt. In der Hansestadt verlor die CDU daher fast gleich stark an FDP , SPD und AfD. Gibt es keine Wechselstimmung, bleibt automatisch auch die Mobilisierung der eigenen Anhänger aus. Und dann ist da noch das Personal - in den Ländern und Kommunen sind charismatische Persönlichkeiten nur selten zu finden. Die CDU stellt lediglich noch vier Ministerpräsidenten, von denen keiner bundespolitisch eine wichtige Rolle spielt. Hinter Merkel klafft ein schwarzes Loch.

Doch was tun? Das Programm müsse "insgesamt stimmig" sein, versuchte die Kanzlerin einen Lösungsansatz zu finden. Auch sei die Stammwählerschaft inzwischen überschaubar, die Bürger würden von Wahl zu Wahl entscheiden. Deshalb müsse man die Themen aufgreifen, die die Menschen bewegten. Die CDU-Chefin kennt ihre Partei. Sollte sich in nächster Zeit jemand mit Kritik aus der Deckung wagen, dann wird derjenige den Verlust des Konservativen und Merkels Modernisierungskurs für die Probleme der Union verantwortlich machen. Um diesen Debatten vorzubeugen, war die Parteivorsitzende gestern auch darum bemüht, das Ergebnis der Hamburg-Wahl vor allem einem in die Schuhe zu schieben: dem SPD-Bürgermeister Olaf Scholz . "Wenn der Amtsinhaber keinerlei Fehler macht, ist die Machtoption sehr klein. Und deshalb muss man manchmal auch einen langen Atem haben", meinte die CDU-Chefin. Letzteres ist im Bund eher ein Tipp für die Sozialdemokraten. Da agiert Merkel derzeit ohne Fehl und Tadel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort