Berliner Görlitzer Park ist das Paradies für dreiste Dealer

Berlin · Chaos bei der S-Bahn, Pannenflughafen und jetzt ein Park voller Drogen-Dealer: Die Berliner Politik macht immer wieder negative Schlagzeilen. Doch im Visier der Kritiker ist nicht der scheidende Regierungschef Wowereit.

Offiziell gibt es noch keinen Ablaufplan für den 11. Dezember. Für den Tag, an dem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD ) nach 13 Jahren von seinem Amt zurücktritt. Aber das Abgeordnetenhaus tagt, Wowereit wird anwesend sein. Abends wird es dann sicherlich feuchtfröhlich zugehen, wie immer bei "Wowi". Danach hat er mit alldem nicht mehr viel am Hut, was die Berliner beschäftigt. Mit den Problemen bei der S-Bahn, mit dem Pannenflughafen in Schönefeld und mit dem, was die Hauptstadt neuerdings auch noch in Atem hält: Hunderte von Drogendealern in einer Kreuzberger Grünanlage.

Es geht um den Görlitzer Park, von dem die hiesigen Boulevardzeitungen schreiben: "Berlins schlimmstes Drogenproblem". In den vergangenen Jahren haben sich die Dealer in dem Areal dramatisch ausgebreitet - Gras, Ecstasy, LSD, Kokain. Es gibt verbotene Rauschmittel jeglicher Art. Wer sich durch den Park oder über die angrenzenden Straßen traut, absolviert einen Spießrutenlauf. In Grüppchen stehen meist arabische oder schwarzafrikanische Jugendliche zusammen und warten auf Kundschaft. Es sind Hunderte. Blickkontakt gilt es zu vermeiden, Familien mit Kindern sieht man kaum noch.

Gestern lief im Fernsehen die Geschichte der Neuköllner Jugendrichterin Kirsten Heisig : "Das Ende der Geduld". Ihr Credo war, dass bei Vergehen von Jugendlichen möglichst rasch Konsequenzen folgen müssen. Heisig nahm sich schließlich das Leben. Und auch im Görlitzer Park zeigt sich dieses immer wiederkehrende Thema der Hauptstadt: Wie weit darf Toleranz gehen? Ab wann muss im Schmelztiegel Berlin hart durchgegriffen werden?

Mit der Geduld am Ende sind die Anwohner. Am Wochenende stach ein Wirt mit einem Messer auf zwei Dealer ein, seitdem ist die Lage eskaliert. Berlin ist aufgeschreckt, hat gemerkt, dass der Park zum rechtsfreien Raum geworden ist, in dem verzweifelte Nachbarn zur Selbstjustiz greifen. Die Kontrollen sind verstärkt worden. Doch kaum ist die Polizei abgerückt, wird munter weiter gedealt. Statt weniger gibt es immer mehr Rauschgifthändler. Zwar ist Berlin per se reich an Chaos , die Politik wirkt häufig überfordert und schiebt die Dinge gerne vor sich her. Wowereit konnte das besonders gut. Doch wenn ein Problem erst einmal berlinweit in aller Munde ist, und das ist die Lage im Görlitzer Park, dann wird es politisch brisant für die Verantwortlichen. Auf seine letzten Tage im Amt gerät jedoch nicht Wowereit ins Visier der Kritiker , sondern CDU-Innensenator Frank Henkel .

2011 verlor er gegen Wowereit, bei der nächsten Wahl in zwei Jahren will er selbst Regierender Bürgermeister werden. Das hofft auch die CDU-Bundesvorsitzende Angela Merkel. Nach der Ankündigung des Rückzugs von Wowereit hatte Henkel den Koalitionspartner SPD aufgefordert, verantwortlich mit der neuen politischen Situation umzugehen. Jetzt fragen viele in der Stadt nach der Verantwortung des Law-and-Order-Manns Henkel. Die innere Sicherheit ist schließlich das zentrale Unionsthema. Unter dem Druck der Medien und der Bürger richtete der Innensenator inzwischen eine Taskforce ein. Sie soll den Park von den Dealern zurückerobern. Wie das gelingen kann, weiß keiner. Denn längst hat sich das Händlernetz über die Grünfläche hinaus ausgeweitet. Auch haben die Polizeieinsätze die Szene nicht verunsichert. Denn viele, die verhaftet werden, sind schnell wieder auf freiem Fuß. Entweder haben sie nur geringe Mengen Rauschmittel bei sich, oder aber der Handel kann nicht nachgewiesen werden.

Henkels Problem ist, dass die Zustände im Görlitzer Park seit Jahren bekannt sind. Und alles noch schlimmer geworden ist. Findet sich nicht bald eine Lösung, drohen vor allem dem Unions-Hoffnungsträger Henkel das, was auch Wowereit gut kennt: stürmische Zeiten.

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