Bei modernen Eltern wächst der Frust

Berlin · Jedes zweite Paar wünscht sich von der Politik mehr Hilfe bei der Kinderbetreuung. Denn obwohl sich viele Männer mehr Zeit mit ihren Kindern wünschen, sieht die Realität meist anders aus.

Deutschland hat die niedrigste Geburtenrate der Welt. Und Familienministerin Manuela Schwesig hat schon die Schuldigen dafür ausgemacht: Unionspolitiker in Westdeutschland, die mit ihren "Rabenmutter"-Klischees berufstätige Frauen mit Kinderwunsch abschrecken.

Auch Renate Köcher vom Meinungsforschungsinstitut Allensbach ist überzeugt, dass Frauen hierzulande mehr Lust auf Kinder hätten, "wenn da nicht immer so scharfkantig getrennt würde" zwischen der Mutterrolle und dem Erwerbsleben. Eines hat sie in einer umfangreichen Studie zu "Weichenstellungen für die Aufgabenteilung in Familie und Beruf" jetzt auf jeden Fall herausgefunden: An den jungen Vätern liegt es nicht, dass sich die klassische Arbeitsteilung in der Familie so hartnäckig hält. 52 Prozent aller Väter von Kleinkindern, die ihr Institut 2014 befragt hat, sagen, sie würden gerne die Hälfte der Kinderbetreuung übernehmen. Die Realität sieht anders aus. Nur 18 Prozent der jungen Väter teilen sich die Verantwortung für den Nachwuchs mit ihrer Partnerin 50:50.

Und noch eine weitere Zahl belegt, wie groß im Familienleben 2.0 die Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist. Von den befragten Vätern und Müttern erklären 28 Prozent, ihr Idealmodell sei eine Teilzeitbeschäftigung beider Elternteile. Gelebte Praxis war das aber nur in gerade einmal vier Prozent aller Fälle. Woran liegt das? Die Wissenschaftler sehen vor allem vier Gründe: Durch ihre Berufswahl und aufgrund von Diskriminierung verdienen Frauen in Deutschland im Schnitt 22 Prozent weniger als Männer. Wenn dann ein Kind unterwegs ist, steht schnell fest: Der Mann arbeitet weiter in Vollzeit, die Frau maximal in Teilzeit. Weitere Gründe sind die fehlende Flexibilität vieler Betriebe bei der Gestaltung der Arbeitszeiten und das vor allem in westlichen Bundesländern immer noch nicht ausreichende Angebot an Ganztagskitas und -schulen. Genauso starken Einfluss hat das vorherrschende "gesellschaftliche Leitbild". Wenn man diese Bilder untersucht, stellt man fest, dass etwa die Hälfte der jungen Eltern findet, "dass ein Kind in den ersten Jahren von der Mutter betreut werden sollte". Das "Hausfrauenmodell" wird aber nur von einer Minderheit befürwortet - im Westen sind es 18, im Osten nur neun Prozent.

Konservative Politiker werfen Schwesig vor, sie wolle anderen Frauen ihren Lebensstil als Vollzeit arbeitende Mutter aufdrücken. Diesen Schuh will sich die Ministerin nicht anziehen. "Wir können diese Entscheidung den Familien nicht abnehmen. Was wir aber tun können, ist, ihnen Unterstützung zu geben bei der Umsetzung ihrer Wünsche."

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