Ausnahmezustand in der Aufnahmestelle

Lebach · Im Juli sind deutlich mehr Flüchtlinge ins Saarland gekommen, als die Behörden erwartet hatten. Auch hierzulande müssen jetzt Zelte als Notunterkünfte aufgestellt werden. Beim Bundesamt für Migration stauen sich derzeit rund 209 000 unerledigte Asylanträge.

 Der Andrang wird immer größer. Dabei ist die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Lebach bereits an ihre Grenzen gestoßen. Foto: Ruppenthal

Der Andrang wird immer größer. Dabei ist die Landesaufnahmestelle für Flüchtlinge in Lebach bereits an ihre Grenzen gestoßen. Foto: Ruppenthal

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So muss man sich also den "übergesetzlichen Notstand" vorstellen, den der saarländische Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) am Mittwoch ausgerufen hat. Vor der Ausgabestelle für Essenspakete und vor dem Eingang zum Verwaltungstrakt, in dem Mitarbeiter die Asylbewerber registrieren, herrscht dichtes Gedränge. Damit sich die Starken nicht vordrängeln, werden Plastikbändchen fürs Handgelenk in unterschiedlichen Farben ausgegeben. Helfer des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) bauen auf dem Rasen zwischen den Wohnblocks 15 Zelte zum Übernachten und ein großes Aufenthaltszelt auf.

In der Aufnahmestelle in Lebach herrscht dieser Tage Ausnahmezustand. Der Zustrom der Asylsuchenden ist mittlerweile so groß, dass die Mitarbeiter es nicht mehr schaffen, die Neuankömmlinge an den sieben Schaltern direkt zu erfassen. Wer am Wochenende ankommt, wird erst Tage später an der Reihe sein.

Bis zur eigentlichen Aufnahme bekommen die Neuankömmlinge Essenspakete und Decken. Sie übernachten in Notunterkünften: Lagerräume und eine Aula wurden kurzfristig zu großen Schlafsälen mit jeweils mehr als 30 Betten umfunktioniert. Insgesamt 200 Betten wurden darin aufgestellt. In den Rot-Kreuz-Zelten kommen noch einmal 200 Feldbetten hinzu. Sie könnten schon am Wochenende gebraucht werden.

Die Beschäftigten in der Landesaufnahmestelle arbeiten hart am Limit, die Schicksale der Flüchtlinge lassen sie häufig auch im Feierabend nicht los. Bouillon spricht von einem "unglaublichen Verwaltungskraftakt" und einem Aufwand, der "grenzwertig" sei. Elf zusätzliche Stellen will er in Lebach schaffen, um die Flut von Asylanträgen bewältigen zu können. Derzeit helfen in Lebach auch Mitarbeiter aus dem Innenministerium und dem Landesverwaltungsamt in St. Ingbert, etwa der Kommunalaufsicht, aus. Als Dolmetscher sind ein paar Syrer im Einsatz, die schon länger im Saarland leben. Sie tun es ehrenamtlich.

Allein im Juli sind laut Innenministerium 1026 Asylbewerber in der Landesaufnahmestelle aufgenommen worden, ein Rekordwert, der selbst die hohen Zahlen der Vormonate bei weitem toppt. "Ich wollte es erst gar nicht glauben", sagte Bouillon am Mittwoch, als ihm seine Fachabteilung den Zwischenstand von 900 präsentierte. In den Vormonaten waren es mal 300, mal 500. Es gab Jahre, da kamen in den ganzen zwölf Monaten nur 300 oder 400.

Doch die 1026 sind noch längst nicht alle. Hinzu kommen Asylbewerber , die zwar in Lebach ankommen, nach einer ersten Registrierung aber in andere Bundesländer geschickt werden. Im Juli waren das noch einmal ungefähr 1000. Zur Erläuterung: Wie viele Flüchtlinge ein Bundesland aufnehmen muss, ergibt sich aus dem "Königsteiner Schlüssel", der sich wiederum nach Einwohnerzahl und Steueraufkommen richtet. Auf das Saarland entfallen exakt 1,22173 Prozent der bundesweiten Asylbewerber-Zahl. Dass deutlich mehr kommen, führt Bouillon auf die schnellen Asylverfahren in Lebach zurück. "Das ist der Fluch der guten Tat", sagt er. Im Saarland liege die Bearbeitungszeit für die Anträge von Syrern, die rund 80 Prozent der Menschen in Lebach ausmachen, bei mehreren Wochen, in anderen Bundesländern bei mehreren Monaten. "Das hat sich herumgesprochen."

Die Frage ist nun, wie es weitergeht. Mit den jetzt ergriffenen Maßnahmen sei das Land vorerst gewappnet, sagte Bouillon gestern bei einem Besuch in Lebach. "Aber niemand weiß, wie sich die Zahlen der Flüchtlingsströme entwickeln werden." Auf dem Gelände der Aufnahmestelle soll ein ganz neues Gebäude entstehen, auch das Haus, das im Frühjahr brannte, soll schnellstmöglich saniert werden. Theoretisch könnte man auch noch Container auf das Gelände stellen, doch wegen der extrem hohen Nachfrage in der Republik ist der Markt inzwischen leergefegt. "14 Monate Lieferzeit", winkt Bouillon ab.

Auf dem Gelände in Lebach wäre im Bedarfsfall wohl noch Platz für weitere Zelte. Sie könnten spätestens dann gebraucht werden, wenn künftig auch aus der Türkei mehr Asylbewerber kommen, wo der Konflikt zwischen Regierung und PKK seit Tagen eskaliert. In der Ruth-Schaumann-Schule, einer Förderschule für Gehörlose und Schwerhörige in der Nähe der Landesaufnahmestelle, gäbe es zudem eine Turnhalle mit Sanitäranlagen einer derzeit ungenutzten Schwimmhalle. Die Mitarbeiter der Ausländerbehörde haben sich die Halle gestern schon einmal näher angesehen.

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