„Die Familienpflegezeit ist ein Erfolg“

Frauenquote, Familienpflegezeit und Lohngerechtigkeit – Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig hat gleich mehrere umstrittene Gesetzesvorhaben auf den Weg gebracht. Mit ihr sprach SZ-Korrespondent Stefan Vetter.

Frau Schwesig, ab 2016 gilt die gesetzliche Frauenquote. In den Aufsichtsräten größerer Unternehmen müssen dann mindestens 30 Prozent der Mitglieder weiblich sein. Ist die Wirtschaft darauf ausreichend vorbereitet?

Schwesig: Die großen Unternehmen sind nach meiner Wahrnehmung sehr gut darauf eingestellt. Das Gesetz bedeutet ja nicht, dass am 1. Januar Männer gegen Frauen ausgetauscht werden. Es greift erst bei den turnusmäßigen Wahlen der Aufsichtsräte. Was die mittelgroßen Firmen angeht, so müssen sie sich selbst Vorgaben machen. Leider sind darunter auch Betriebe, die meinen, sie könnten bei null Prozent Frauenanteil bleiben. Hier erwarte ich, dass die Unternehmen, die Frauenförderung endlich ernst nehmen - im Interesse der Frauen und der Wirtschaft.

Seit diesem Jahr haben Arbeitnehmer einen Rechtsanspruch auf teilweise Freistellung von bis zu 24 Monaten, um nahe Angehörige zu pflegen. Dafür kann man ein zinsloses Darlehen beantragen. Wie wird dieses Gesetz angenommen?

Schwesig: Das Gesetz ist ein Erfolg. Vor allem die Möglichkeit einer bezahlten Auszeit von bis zu zehn Tagen, um im Notfall eine Pflege zum Beispiel für die Mutter zu organisieren. Dafür gibt es ein Pflegeunterstützungsgeld, das an das Kinderkrankengeld angelehnt ist. Seit Jahresbeginn haben nach unseren Schätzungen rund 6000 Personen diese Möglichkeit genutzt. Dafür wurden zwei Millionen Euro aufgewendet. Das ist eine gute Entwicklung. Ich bin optimistisch, dass im kommenden Jahr noch mehr Menschen davon Gebrauch machen.

Und wie sieht es bei den längerfristigen Freistellungen aus?

Schwesig: Ich gehe davon aus, dass die Pflege- und Familienpflegezeit, also die Möglichkeit, für sechs Monate ganz aus dem Beruf auszusteigen oder bis zu 24 Monate verkürzt zu arbeiten, in einem großen Umfang genutzt wird. Wir wissen derzeit nur, dass bislang 313 Personen ein Darlehen in Anspruch genommen haben. Aber das sagt gar nichts, denn die wenigsten beantragen ein Darlehen.

Trotzdem fühlen sich pflegende Angehörige viel zu wenig unterstützt . . .

Schwesig: Deshalb starten wir ein neues Pflegetelefon. Unter Kollegen spricht man eher über die Sorgen mit kleinen Kindern als über die mit der demenzkranken Mutter. Daher müssen Betroffene geschulte Ansprechpartner bekommen.

Was heißt das konkret?

Schwesig: Angehörige , die selber pflegen, können sich ab 1. Januar telefonisch Rat holen, wenn sie in einer schwierigen Situation sind, wenn es wegen der Pflege Probleme in der Familie gibt, oder eine seelische Überlastung droht. Unter der Nummer (030) 20 17 91 31 können sich Interessenten dann von Montag bis Donnerstag zwischen 9 und 18 Uhr informieren. Auf Wunsch vertraulich und anonym.

Bei Ihrem geplanten Gesetz zur Lohngerechtigkeit hat die Wirtschaft bereits erheblichen Widerstand angemeldet. Auch von der Union droht Ungemach. Sind Sie hier zu Änderungen bereit?

Schwesig: Ich bin zu Gesprächen bereit. Wer mit meinen Plänen nicht einverstanden ist, muss allerdings auch konstruktive Vorschläge machen. Was nicht geht, ist, dass die Lohnlücke von 22 Prozent zwischen Frauen und Männern weiter ignoriert wird. Das ist eine der größten Ungerechtigkeiten in Deutschland.

Aber das Hauptproblem besteht doch im unterschiedlichen Berufswahlverhalten von Frauen und Männern. Daran kann Ihr geplantes Gesetz nichts ändern.

Schwesig: Die Lohnlücke hat viele Ursachen, Teilzeitjobs , mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf, aber auch die Tatsache, dass typische Frauenberufe etwa im Sozialbereich generell schlechter bezahlt werden. Deshalb wird es mit dem neuen Pflegeberufsgesetz Ausbildungsvergütungen geben, anstatt wie jetzt noch Schulgeld zahlen zu müssen. Notwendig sind mehrere Bausteine, um die Lohnlücke zu schließen. Das Gesetz brauchen wir, um mehr Transparenz zu schaffen für die, die im gleichen Job unterschiedlich bezahlt werden. Das sind immerhin sieben Prozent.

Mitte Januar werden Sie in den Mutterschutz gehen. Als ihre Parteifreundin Andrea Nahles in dieser Situation war, fürchtete sie um ihre politische Karriere. Geht es Ihnen genauso?

Schwesig: Nein. Ich habe gerade von meiner Partei sehr viel Unterstützung erfahren. Zuletzt mit einem sehr guten Ergebnis bei meiner Wiederwahl als stellvertretende Vorsitzende.

Das ganze Interview mit Manuela Schwesig gibt es im Internet: www.saarbruecker-zeitung.de/berliner-buero

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