Die Zukunft heißt Europa, zumindest auf diesem Album

Saarbrücken · Nach knapp zehn Monaten erscheint schon das nächste Album der Manic Street Preachers. Die fleißigen Waliser haben den deutschen Krautrock der 70er entdeckt und kreuzen ihn mit ihrem hymnischen Rock für große Hallen. Passt das zusammen?

 Die Band am Potsdamer Platz in Berlin: Sean Moore, Nicky Wire und James Dean Bradfield (von links). Foto: Columbia

Die Band am Potsdamer Platz in Berlin: Sean Moore, Nicky Wire und James Dean Bradfield (von links). Foto: Columbia

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Zumindest in ihrer britischen Heimat sind sie eine Institution: Seit den Achtzigern bringen die Manic Street Preachers beständig gute Alben heraus, pflegen konstant ihren hymnischen Stil und die große Geste mit Überzeugung - glauben die Waliser doch, sagen sie, an die gute, verändernde Kraft des Rock'n'Roll. Ob man diesen Glauben nun teilt oder nicht: Die Beständigkeit der Band muss man bewundern. Vor knapp zehn Monaten erschien ihr elftes reguläres Album, "Rewind the film", nun schiebt die Band überraschend flott Nummer 12 nach; bei den Sessions zum Vorgänger hatte man genug Musik für ein weiteres Album eingespielt. Ein Aufguss also? Keineswegs: "Futurology" klingt anders als der eher ruhige Vorgänger, es ist eine kantige, manchmal schräge Songkollektion.

Die Band hat sich vom sogenannten "Kraut-rock" der 70er Jahre inspirieren lassen, von deutschen Bands wie Neu! oder Popul Vuh. Teile des Albums hat das Trio in den legendären Berliner Hansa Studios aufgenommen - ein musikhistorisch geradezu mythischer Ort, hat dort doch David Bowie in den 70er Jahren seine bahnbrechenden Alben "Low" und "Heroes" produziert, bei denen er sich ebenfalls am Kraut- und deutschen Elektronikrock versuchte.

Es finden sich durchaus Verweise auf Bowies Berliner Alben: Gitarrensoli, die so formlos flirren wie Robert Fripps Saiten-Exkursionen auf "Low", und Keyboards, die so herrlich jaulen wie die Synthesizer auf "Heroes". Dennoch ist "Futurology" unverkennbar ein Album der Manic Street Preachers - in dem Spagat zwischen Experimentierlust und dem Willen, Musik für große Hallen zu schreiben. Letzterer führt hier manchmal zu schunkelseligen Stadionrock-Refrains ("Misguided missile", "Walk me to the bridge"); doch meist geht das Konzept auf und fördert Exzellentes zu Tage: Da sind das melodiös verschlungene "Let's go to war" mit ironischem Schlachtruf, das ausladende Instrumentalstück "Dreaming a city (Hughesovka)" und die Balladenschönheit "Between the clock and the bed" mit Gastsänger Green Gartside von der Band Scritti Politti; dessen Stimme besitzt immer noch den zarten, zauberhaften Schmelz aus den 80er Jahren.

Ein weiterer Höhepunkt ist "Europa geht durch mich", eine vorwärts stampfende Glamrock-Nummer mit brummenden Synthesizern und einem Gastauftritt von Schauspielerin Nina Hoss, die in der donnernden Ode an Europa den deutschen Text singt - mal harmonisch, mal bedrohlich, was ja gut zur Idee Europa passt.

Manic Street Preachers:

Futurology (Columbia).

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