Und plötzlich geht der Queen der Tee aus

London · Jedes Jahr richtet Königin Elizabeth II. im Buckingham-Palast drei Gartenpartys aus – am Donnerstag war die letzte der Saison. Am Ende passierte ein Malheur, das sich als gänzlich unbritisch bezeichnen lässt.

 SZ-Korrespondentin Katrin Pribyl mit gemietetem Hut auf der Gartenparty. Foto: pribyl

SZ-Korrespondentin Katrin Pribyl mit gemietetem Hut auf der Gartenparty. Foto: pribyl

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Als die Militärkapelle die James-Bond-Melodie "Goldfinger" anstimmt, lacht eine Dame auf. "Ich wusste nicht, dass Daniel Craig auch kommt", sagt sie und schaut sich um, darauf bedacht, dass ihre Pfauenfedern auf dem Kopf nicht gegen einen der anderen Hüte stoßen. Doch die Vermutung liegt nahe, dass viele enttäuscht gewesen wären, wenn der britische Schauspieler um die Ecke gebogen wäre. Die aufgebretzelten Besucher warten im perfekt getrimmten Gras auf eine andere Person: Königin Elizabeth II. Dann spaziert das britische Staatsoberhaupt höchstpersönlich in gewohnt farbenfrohem Kostüm daher. Mantel pink, Hut pink, Kleid pink. Ihre Majestät leuchtet, anders kann man es nicht sagen, während sie durch die Menschenmenge schreitet.

Es gibt in Großbritannien kein exklusiveres gesellschaftliches Ereignis als die traditionelle Gartenparty, zu der die 89-jährige Monarchin jedes Jahr einlädt. Drei Mal, immer dieselbe Prozedur. Am Donnerstagnachmittag kamen abermals 8000 auserwählte Briten in den Garten des Buckingham-Palasts, die sich in irgendeiner Form um das Königreich verdient gemacht haben. Wobei die Bezeichnung Garten die Untertreibung des Jahres ist. Die Grünfläche besticht als weitläufiger Park mit Rosenstöcken, jahrhundertealten Bäumen und Rhododendron-Büschen.

Vor dem eigentlichen Spektakel, kurz vor 15 Uhr, finden sich vor der hohen Palastmauer unzählige Menschen ein und stehen erst einmal Schlange, das berühmte und zwangsläufig ausgiebig zelebrierte Hobby der Engländer. Es herrscht strenge Kleiderordnung. Für die männlichen Gäste gilt der Dresscode "morning suit", ein festlicher Tagesanzug, oder Uniform. Die Frauen tragen Kleider, Perlen und: Hüte, Hüte, Hüte. In groß und klein, rot, blau, lila oder gelb, mit künstlichen Schleifchen besetzt, versehen mit Blumenbuketts, breiten Krempen oder Türmen aus Tüll.

Dann schlurfen und staksen die Gäste über den roten Teppich durch die Eingangshalle des Buckingham-Palasts in die prachtvolle grüne Oase. Um 16 Uhr erscheint Elizabeth II. auf der Terrasse mit ihrem Mann, Prinz Philip, dem Herzog von Edinburgh, inklusive des royalen Trosses. Tausende Augenpaare starren auf die Frau, die in Wirklichkeit viel kleiner ist, als sie auf Fotos und im Fernsehen wirkt, und man wird das Gefühl nicht los, dass bei den meisten kurz der Atem aussetzt oder das Herz stehenbleibt. Ja, das ist sie, die Queen - das Symbol einer ganzen Nation und Antityp dieser wechselhaften Zeit und Welt, die durch Kontinuität und Hingabe das Selbstbewusstsein einer ganzen Nation stärkt.

Immer wieder macht sie bei zuvor ausgewählten Gästen kurz Halt und plaudert. Die Meisterin des Smalltalks braucht genau eine Stunde für die Prozedur, bis sie an einem speziellen, von einem Krönchen geschmückten Zelt angekommen ist. Dort steht der Nachmittagstee auf dem Tisch, den die Royals mit neu ausgewählten Menschen schlürfen. 17 Uhr. Tea time. Was sonst? Das Fußvolk pilgert solange zum großen Zelt, wo, so heißt es, zehntausende Sandwiches, Shortbread und Miniaturtörtchen bereitstehen sollen. Und literweise Tee . Am Donnerstag aber passiert etwas, das noch nie vorgekommen sein soll. Kurz nach fünf und eine Stunde vor Ende der Veranstaltung stellen Diener goldene Ständer zwischen die wartenden Menschen. "Es tut uns leid, aber Essen und Tee sind aus." Nach kurzem Gegrummel folgt etwas, das als englischer Aufruhr bezeichnet werden könnte: Ein britischer Gentleman reißt die Augenbrauen nach oben: "Oh dear", sagt er. Seine rotbehütete Frau kann es kaum fassen: "Bloody austerity!", flüstert sie. "Verdammter Sparkurs!"

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