Gericht erlaubt „Körperwelten“-Museum in Berlin - Ab Juli Ausstellung in Saarbrücken

Berlin · Nicht jeder tote Körper ist eine Leiche – zumindest nicht nach Meinung von Juristen. Der umstrittene Leichenpräparator von Hagens darf sein „Körperwelten“-Museum in Berlin eröffnen. Das gefällt nicht allen.

Die Toten posieren als Denker, als Radfahrer mit Sonnenbrille im Gesicht oder beim Sex. Die Haut hat man ihnen abgezogen, ihre Muskeln und Nervenstränge sind gut sichtbar. Die schwarze Lunge eines Rauchers steht eindrucksvoll neben dem hellrosa Organ eines Nichtrauchers. Etwa 20 plastinierte Körper und bis zu 200 Einzelstücke will der umstrittene Leichenpräparator Gunther von Hagens dauerhaft in einem "Menschen-Museum" zeigen - mitten in Berlin , am Fuße des Fernsehturmes.

Der Bezirk Mitte lief Sturm dagegen. Nach seiner Auffassung handelt es sich um Leichen , und deren Ausstellung sei nach dem Bestattungsrecht nicht zulässig. Die Richter sehen das nun anders. Ende Januar darf das Museum eröffnen.

Von Hagens, der das Museum vor einigen Monaten als einen lang gehegten Traum bezeichnet hat, braucht dafür jedenfalls keine Genehmigung nach dem Bestattungsgesetz. So urteilte das Verwaltungsgericht gestern. Nach dem Willen des Gesetzgebers seien plastinierte Körper keine Leichen im Sinne der Vorschrift, begründete der Vorsitzende Richter Björn Schaefer das Urteil. In dem Gesetz gehe es um die schnelle Bestattung. Plastinate aber verwesten nicht und könnten so nicht auf einem Friedhof bestattet werden.

Nicht um den Tod, sondern um das Leben geht es erklärtermaßen auch von Hagens' Frau und Kuratorin, Angelina Whalley. Sie war im Verwaltungsgericht dabei. Ihr an Parkinson erkrankter Mann, der immer mit schwarzem Filzhut auftritt, war nicht dabei. Er hat sich aus der Öffentlichkeit zurückgezogen. Für sie als Ärztin sei die Ausstellung ein Erfolg, weil sie Menschen zum Nachdenken anrege, sagte Whalley. "Viele Menschen nehmen ihren Körper nach dem Besuch der Ausstellung nicht mehr für selbstverständlich", sagt sie bei der Verhandlung.

Der Bezirk Mitte sieht das anders - für ihn verstößt die Ausstellung gegen die Menschenwürde . Ähnlich argumentieren seit Jahren auch andere "Körperwelten"-Kritiker. Die Körper würden in "effekthascherischen Posen " ausgestellt, die "Sensationslust" werde bedient. Spender hätten keinen Einfluss, in welchen Posen ihre Leichen ausgestellt würden.

Für diese Bedenken lässt das Gericht dem Bezirk eine Hintertür offen: Verstoßen die Ausstellungsmacher gegen die öffentliche Ordnung - verletzen sie etwa die Menschenwürde - könne die Behörde ein Verbot jederzeit auf das allgemeine Ordnungsrecht stützen. Das Berliner Bezirksamt Mitte überlege, ob es auf diesem Weg gegen das geplante Museum vorgehen kann, sagt Amtsleiterin Luise Geisler-Ortmann.

Dem Anwalt der Klägerin bereitet das keine Sorgen: Die plastinierten Körper würden nicht in lächerlich machenden Posen ausgestellt, die Menschenwürde werde gewahrt.

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HintergrundAuch im Saarland wird es im kommenden Jahr eine Körperwelten-Ausstellung von Gunther von Hagens geben. Vom 2. Juli bis 3. September 2015 werden 20 Ganzkörperplastinate und 200 Präparate in der Saarbrücker Congresshalle zu sehen sein. Aber auch im Saarland ist die Schau umstritten. So wollte die Saarbrücker Oberbürgermeisterin Charlotte Britz nicht die Schirmherrschaft über die Ausstellung übernehmen. "Die Vorbehalte vieler Menschen gegen die ,Körperwelten' können wir nachvollziehen. Aus diesem Grund hat Charlotte Britz die Schirmherrschaft abgelehnt", erklärte Pressesprecher Thomas Blug vergangenen März. red

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