Die Terror-Miliz zwingt Obama zur Wende im Irak

Washington · Eine Grundsatzrede ist Barack Obama noch schuldig. Denn zusammenhängend hat er noch nicht erklärt, welches Konzept er im Irak verfolgt. Stattdessen lud er Thomas Friedman , den Star-Kolumnisten der "New York Times", zum Interview ein, um nuancenreich wie gewohnt seine Leitlinien darzulegen.

"Wir werden eure Partner sein, aber wir werden nicht die Arbeit für euch machen. Ihr müsst uns zeigen, dass ihr den Willen habt, eine irakische Regierung zu bilden, die auf Kompromissen basiert", so zitiert Friedman die Kernsätze des Präsidenten. Anders ausgedrückt: Ohne Ausgleich zwischen Schiiten, Sunniten und Kurden werde sich nichts an dem Dilemma ändern - egal, was Amerika tut .

Diese illusionsfreie Einschätzung erklärt die Vorschusslorbeeren für Haidar al-Abadi, den designierten irakischen Premier, der Nuri al-Maliki ablösen soll. An ihm waren die Amerikaner zuletzt buchstäblich verzweifelt. Ganz unverbrämt ließ das Weiße Haus wissen, dass es Maliki als Schuldigen an der derzeitigen Misere sieht. Hätte er nicht so kurzsichtig Klientelpolitik für seine schiitische Volksgruppe betrieben, so die Kritik, dann wäre die IS-Miliz im Irak nur ein Randphänomen und nicht das furchteinflößende Instrument, dessen sich die zu kurz gekommenen Sunniten in ihrer Verbitterung bedienen. Kein Wunder also, dass Obama die Ernennung al-Abadis ohne Abstriche begrüßte, ihm sofort gratulierte, Kooperation in Aussicht stellte. Angeblich waren amerikanische Diplomaten wochenlang damit beschäftigt, den Mann als Kompromisskandidaten durchzusetzen. Auch wenn das Oval Office pflichtgemäß betonte, dass man sich nicht einmische - hinter den Kulissen lief es wohl anders.

Obama als Strippenzieher im Zweistromland: Es ist eine bemerkenswerte Wende für einen Politiker, der überhaupt erst an Profil gewann, als er dafür warb, das leidige Kapitel Irak schnellstmöglich zu schließen und sich lieber den Zukunftsregionen Ostasiens zuzuwenden. Im Grunde handelt er gegen seine innere Überzeugung, wenn er sich nun abwendet von seinem früheren Kurs. Obama ist getrieben von den Ereignissen, der Gefahr eines radikalislamischen De-facto-Staats im Norden Syriens und des Iraks. Fragt sich nur, wie weit er das Ruder herumwirft, ob er es bei punktuellen Luftangriffen belässt oder bereit ist, sein Militär stärker eingreifen zu lassen.

Wie nüchtern die Generäle im Pentagon die Dinge sehen, macht William C. Mayville deutlich, der Operationschef des Generalstabs. Die Attacken aus der Luft seien allenfalls eine "vorübergehende Abschreckung", sagte er. Den Schwung der IS-Offensive werde man damit nicht nachhaltig bremsen. Richard Haass, ein Realpolitiker alter republikanischer Schule, rät zur Ausweitung des Bombardements auf Nordsyrien. Und wenn man damit indirekt das Regime des Diktators Baschar al-Assad stärke, so müsse man diesen Preis eben zahlen für eine Schwächung der Terroristen.

Dass die USA keine Bodentruppen entsenden, scheint indes eine Konstante zu sein, an der niemand rüttelt. "Keiner denkt daran, zurückzukehren auf eine Straße, die wir schon einmal befahren haben", betont Außenminister John Kerry . Nur eine irakische Armee, die ihren Namen verdient, könne das Blatt auf Dauer wenden, skizzierte Obama denn auch im Gespräch mit Friedman. Amerika wolle kein IS-Kalifat in Syrien und Irak zulassen. "Aber wir können das nur tun, wenn wir fähige Partner vor Ort haben", so der Präsident.

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