Ein Leben für Frauen und Kinder in Not

Völklingen/Augsburg · Den Entschluss, sich gegen die Ausbeutung von Frauen, Menschenhandel und Sextourismus einzusetzen, fasste Lea Ackermann in einem Taxi in Bangkok. Zusammen mit einem Bischof und dessen Sekretär war sie auf dem Weg ins Hotel.

Die Männer saßen hinten, Ackermann vorne neben dem Fahrer. Der fragte sie, ob einer der Mitfahrer ihr Ehemann sei. Als sie verneinte, wandte er sich an die Männer: Er habe eine Schwester, sie sei jung, schön, billig - und für die ganze Nacht zu haben. Ackermann war schockiert.

Die Geschichte hat die gebürtige Saarländerin schon oft erzählt. Sie ist 30 Jahre her. Doch sie macht deutlich, wie sehr Ackermann die Selbstverständlichkeit verabscheut, mit der Frauen zur Ware gemacht werden. Für ihr lebenslanges Engagement hat die katholische Ordensschwester jetzt den Augsburger Friedenspreis bekommen. Die Jury würdigt sie als "unermüdliche Kämpferin, die sich für die Menschenwürde und gegen sexuelle Ausbeutung und Entwürdigung von Frauen und Mädchen einsetzt".

1985, nicht lange nach dem Taxi-Vorfall, gründete Ackermann den Verein Solwodi. Die Abkürzung steht für "Solidarity with Women in Distress" - Solidarität mit Frauen in Not. Die Organisation half zunächst in Kenia. Heute ist Solwodi auch in anderen Ländern aktiv, betreut Frauen und Kinder psychisch, gesundheitlich und juristisch, verhilft ihnen zu einem Neuanfang. In Deutschland hat Solwodi mittlerweile sieben "Fluchtwohnungen" und 15 Beratungsstellen. Mehr als 50 feste Mitarbeiterinnen kümmern sich dort um Migrantinnen in Not. Das heißt: Opfer von Menschenhandel , Zwangsprostitution, Zwangsheirat oder Gewalt in der Beziehung.

Dass Lea Ackermann einmal ein internationales Hilfsnetzwerk aufbauen würde, war nicht vorgezeichnet. Geboren 1937 in Völklingen begann die Tochter eines Bauunternehmers mit 16 eine Banklehre - auf Wunsch ihrer Eltern. Sieben Jahre arbeitete sie bei der Landesbank Saar . "Aber irgendwann habe ich gedacht: Mein ganzes Leben nur mit Papier und Geld, das ist doch nichts. Ich war 23 Jahre alt, fromm und abenteuerlustig zugleich." Den Entschluss, in den Orden der "Missionsschwestern unserer lieben Frau von Afrika" einzutreten, fasste sie 1960 - ganz spontan. Bei einem Betriebsausflug tanzte die junge Frau eine Nacht durch und stellte sich dann im Ballkleid im Kloster vor. Tags darauf kündigte sie bei der Bank und trat in den Orden ein. Ihre Mutter, heißt es, habe damals geheult, ihr Vater getobt. Ackermann blieb dabei, studierte als Ordensfrau Theologie, Psychologie und Pädagogik, promovierte in München in Erziehungswissenschaften. Was sie aber vor allem wollte, war: Nach Afrika fahren und helfen.

1985 schickte sie die Ordensgemeinschaft ins kenianische Mombasa. Die Küstenstadt ist eine Hochburg des Sextourismus . Ackermann sah das Leid der Prostituierten. Mit einem Rundbrief sammelte sie Geld, organisierte ein altes Lagerhaus als Unterschlupf - so entstand Solwodi. Für ihr Engagement hat die 77-Jährige viele Auszeichnungen bekommen, unter anderem 2012 das große Bundesverdienstkreuz. Noch immer kämpft sie leidenschaftlich gegen das Geschäft mit ausgebeuteten Frauen.

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