Europas Pflicht

Heiliger Sankt Florian, verschon' mein Haus, zünd' and're an: Wenn es zum Schwur kam, schienen viele Partner der USA zuletzt eine sehr bequeme Devise zu verfolgen. Bei entfernten Krisenherden forderte man von der Supermacht beherztes Eingreifen; wo Konsequenzen näher rückten, wurde zu Bedacht gemahnt.In Washington jedenfalls begreifen viele die Welt nicht mehr.

Monatelang hat der Westen Moskau mit schweren Sanktionen gedroht, falls es nicht mäßigend auf die Rebellen in der Ukraine einwirkt. Inzwischen ist die Krim annektiert, der Osten ein Kriegsgebiet und ein Flugzeug abgeschossen, doch mit echten Boykotten tut sich Europa noch immer schwer.

In Nahost ist die Situation bemerkenswert anders. Zwischen Israelis, Palästinensern und ihren Sympathisanten gibt es zwar ebenfalls inkompatible Weltsichten. Dort ruft aber nicht nur eine Partei nach Washington - sondern alle. In Syrien werfen die meisten Beobachter den USA vor, nicht früher Waffen an den Widerstand geliefert zu haben. Und natürlich brennt es auch im Irak. Je nachdem, wen man fragt, liegt das an zu viel oder an zu wenig Engagement der Amerikaner. Einigkeit besteht nur darin, dass sie zuständig sind.

Dass eine Supermacht widersprüchlichen Erwartungen ausgesetzt ist, ist wenig überraschend. Kompliziert wird es, wenn sie aus ein und derselben Ecke kommen. Als US-Präsident Barack Obama im Vorjahr vor der Uno Reformen anmahnte, um die auch von Europäern oft kritisierte Rolle der USA als Weltpolizist zu verkleinern, erntete er peinliches Schweigen - man müsste womöglich dann selbst mehr leisten. In der Nato werden die wenigsten Partner ihrer Beitragspflicht gerecht. Und die deutsche Verteidigungsministerin hat zwar mehr Verantwortung auf der Weltbühne angekündigt, dies später aber zum Debattenbeitrag herabgestuft.

Lange hat es so ausgesehen, als wolle Europa auch in der Ukraine nicht mehr beisteuern als regelmäßig aufgefrischte Empörung. Wenn es nach EU-Ratspräsident Herman van Rompuy geht, werden heute aber erstmals echte Wirtschaftssanktionen beschlossen. Politik mit Sanktionen zu versuchen statt mit Waffengewalt war lange eine Idee, die vor allem in Europa Anhänger hatte; unter der Ägide von Obama bekommt sie nun eine unverhoffte Chance. Es ist klug, die schärfsten nicht einzusetzen, so lang die Drohung mit ihnen noch etwas bewirken kann. Wer aber nicht bereit ist, notfalls selbst einen Preis zu bezahlen, höhlt sie aus.

Wenn der Westen sich über die Ursachen des Absturzes über der Ukraine so sicher ist wie behauptet, kann er dort nicht zur Tagesordnung übergehen. Diese Krise lässt sich nicht an die USA delegieren, ohne Europa zu diskreditieren. Es scheint, als habe man das jetzt begriffen.

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