Bürger bescheren Parteien eine Verjüngungskur

Berlin · Viele Deutsche sind der Parteien müde. Hatten 1989 noch 3,6 Prozent der Erwachsenen ein Mitgliedsbuch, so ist dieser Anteil inzwischen auf 1,8 Prozent geschrumpft. In den vergangenen 25 Jahren verlor die SPD knapp die Hälfte ihrer Mitglieder, die CDU mehr als zwei Fünftel - und die FDP sogar fast zwei Drittel.

Das Bundestagswahljahr 2013 hat nun den Trend gebremst: Vor allem SPD und CDU verzeichnen so viele Neueintritte, dass sich der Mitgliederverlust deutlich abschwächt. Das zeigt die aktuelle Analyse des Berliner Politologen Oskar Niedermayer. Als einer von wenigen Forschern erhält er Jahr für Jahr Einblick in die ansonsten streng verschlossenen Mitgliederdateien.

Demnach entschieden sich überdurchschnittlich viele Bürger unter 30 Jahren im Wahljahr für einen Parteieintritt. Vor allem bei der SPD scheint der jahrelange Rückgang jüngerer Parteimitglieder "endgültig gestoppt", hält Niedermayer fest. An der generellen Überalterung der Parteien insgesamt ändert dies aber noch nichts. Das durchschnittliche Parteimitglied von Union, SPD und Linkspartei ist heute 59 Jahre alt. Selbst die Grünen, die nach ihrer Gründung in den 80er Jahren besonders attraktiv für Jüngere waren, sind mit einem Altersschnitt von 48 heute in die Jahre gekommen - obwohl die Partei im vorigen Jahr im Vergleich zu den Konkurrenten erneut die meisten Neueintritte verbuchen konnte.

Viele Parteienforscher setzen allerdings den Begriff "Parteienmüdigkeit" nicht mit "Politikverdrossenheit " gleich. Für Interessierte gebe es heute viel mehr andere Möglichkeiten, sich politisch zu engagieren und zu artikulieren. Die klassische Form mit Parteibuch und Mitgliedsbeiträgen, Versammlungen vor Ort, Gastrednern und Frontalvorträgen schreckt demnach gerade Jüngere ab. Auch die unterschiedlichen Experimente zur Öffnung der Parteien ändert daran nichts Wesentliches. Niedermayer bilanziert denn auch "eine kontinuierlich abnehmende gesellschaftliche Verankerung des Parteiensystems".

Bis auf die Grünen, die ihre Mitgliederzahl seit 1990 nahezu um 50 Prozent steigern konnten, haben alle anderen Parteien seitdem einen Schwund zu verkraften. Am stärksten traf das die Linke, die 1990 - damals hieß sie noch PDS und war auf Ostdeutschland beschränkt - fast 281 000 Mitglieder zählte. Inzwischen ist sie auf 63 800 abgesackt. Von ihrer Mitgliederverteilung her gilt sie noch immer als ostdeutsche Regionalpartei. Außer im Saarland, der Heimat ihrer jahrelangen Galionsfigur Oskar Lafontaine , ist sie im Westen nur äußerst schwach organisiert.

Mitgliederstärkste Partei war bis 2008 die SPD - und seit 2012 ist sie das wieder. Auch im vergangenen Jahr behaupteten die Sozialdemokraten ihren Vorsprung vor der CDU , wenn auch nur knapp: 473 662 SPD-Mitgliedern standen 467 076 CDU-Mitglieder gegenüber. Beide Parteien liefern sich schon seit Jahren ein Kopf-an-Kopf-Rennen bei den Mitgliederzahlen. Zählt man allerdings die CSU mit ihren 148 380 Mitgliedern hinzu, ist die Union insgesamt mit Abstand die größte Parteiengruppierung in Deutschland. Besonders bitter lief 2013 dagegen für die Liberalen, nicht nur mit Blick auf ihr Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde im September: Ausgerechnet im Wahljahr mussten sie mehr Parteiaustritte (6,5 Prozent) als Eintritte (5,7) hinnehmen.

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