„Riesenchance für den ländlichen Raum“

Saarbrücken. Der Zuzug von Flüchtlingen in saarländische Dörfer könnte die Folgen des demografischen Wandels abmildern oder sogar umkehren. Davon zeigt sich Umweltminister Reinhold Jost (SPD) überzeugt. Mit ihm sprach jetzt SZ-Redakteur Daniel Kirch.

Wie nehmen Sie die Stimmung in der Bevölkerung wahr, was die Flüchtlingsaufnahme betrifft?

Jost: Wenn wir die Aufgabe nicht meistern und die Menschen überfordern, besteht die Gefahr, dass die Stimmung kippt. Aber wenn das Land das vernünftig managt, ist es nicht am Ende seiner Aufnahmefähigkeit. Ich habe den Eindruck, dass im Saarland und in der Landesregierung die richtigen Menschen am richtigen Platz sind und wir es im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr ordentlich hinbekommen. Das ist auch das Verdienst der Ehrenamtlichen. Wir müssen aber auch die nötige Konsequenz an den Tag legen, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhalten.

Was heißt das?

Jost: Diejenigen, die keinen Anspruch auf Asyl haben und rechtskräftig nicht hier bleiben können, müssen auch zurückgeführt werden. Wenn jemand aus einem Staat kommt, der den Anspruch erhebt, EU-Mitglied zu werden, hat er keinen Grund, hier einen Asylantrag zu stellen. Wir müssen auch diejenigen im Blick behalten, die schon hier sind, ob Deutscher oder Migrant. Auch ihnen müssen wir helfen, wenn sie in einer schwierigen Situation sind.

Was bedeutet der Zuzug für den ausblutenden ländlichen Raum?

Jost: Er kann die Folgen der demografischen Entwicklung, wie wir sie bis vor kurzem erwartet und teilweise auch als unabänderlich hingenommen haben, abmildern oder sogar umdrehen. Das ist eine Riesenchance für den ländlichen Raum. Ich bin seit 20 Jahren Ortsvorsteher von Siersburg und kriege auch in anderen Gemeinden mit, dass im wahrsten Sinn des Wortes wieder Leben in der Bude ist, weil Menschen in leerstehende Häuser eingezogen sind. Mit den jungen Menschen und Familien kommt neues Leben ins Dorf. Das zieht auch andere nach und stabilisiert Strukturen. An den Schulen sind viele neue Klassen gebildet worden. Wir müssen uns jetzt ohnehin nach der Aufnahme der Flüchtlinge über die eigentliche Herausforderung Gedanken machen: die Integration der Menschen. Da geht es vor allem um Fragen, die den Arbeitsmarkt und die Bildung betreffen. Hier verfügen wir dank der Minister Anke Rehlinger und Ulrich Commerçon bereits über tragfähige Konzepte.

Die Infrastruktur in Dörfern mit sinkender Einwohnerzahl, Schulen oder Geschäfte, ist gefährdet und wird schon seit Jahren ausgedünnt. Muss man da jetzt komplett umdenken?

Jost: Der Zuzug kann die bestehende Infrastruktur besser auslasten. Wir müssen aber auch dafür sorgen, dass sich die jeweiligen Bereiche umstellen. Das fängt damit an, was Geschäfte zum Beispiel an Lebensmitteln anbieten. Wir haben die Chance, nicht irgendjemandem etwas wegnehmen zu müssen, sondern allen einen Mehrwert zu bieten.

Und die Vereine auf dem Land? Einige mussten schon aufgeben, weil niemand mehr da ist, der sich engagieren will.

Jost: Der Fußballverein wird wohl eher profitieren als der Männergesangverein. Ich kriege es mit: Im Fußball, in Turnvereinen oder Jugendgruppen bringen sich Flüchtlinge mit ein. Die Bereitschaft der Ehrenamtler, sie einzubinden, ist da, weil sie wissen, was ihnen im Verein ansonsten blüht. In den letzten 30 Jahren hat es ja nicht an Ideen für Feste oder Veranstaltungen gefehlt, sondern an Helfern, die Zelte aufgebaut, Bänke aufgestellt und danach wieder alles abgeräumt haben. Die meisten Menschen, die hierherkommen, drehen sich nicht weg, wenn es etwas zu arbeiten gibt.

Zum Thema:

HintergrundDas Umweltministerium ist im Saarland für den ländlichen Raum und die Dorfentwicklung zuständig. Das Ressort von Minister Reinhold Jost (SPD ) beteiligt sich mit einem Millionenbetrag an dem Wohnraum-Programm der Landesregierung. Jost arbeitet eng mit Innenminister Klaus Bouillon (CDU ) zusammen. "Der Reinhold hilft mir an allen Ecken und Enden", sagt Bouillon. kir

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