„Ich bin konservativ, nicht reaktionär“

Im SZ-Sommerinterview hat Saar-CDU-Chefin und Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer eine Abstimmung in der Saar-CDU über die Homo-Ehe, wie in der Berliner CDU, offen gelassen. Sie selbst sei in dieser Frage im Wortsinne konservativ. Die CDU sei jedoch eine Volkspartei, die allen Stimmen dazu Raum gebe. Die Fragen stellte SZ-Redakteur Dietmar Klostermann.

Vom Schaumberg hat die Saar-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine gute Aussicht aufs klamme Saarland. Foto: Iris Maria Maurer

Vom Schaumberg hat die Saar-CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer eine gute Aussicht aufs klamme Saarland. Foto: Iris Maria Maurer

Foto: Iris Maria Maurer

Frau Kramp-Karrenbauer,warum haben Sie sich den Schaumberg als Symbol ausgesucht, das von allen Sparzwängen der Landesregierung verschont werden soll? Bisher war gar nicht bekannt, dass der Schaumberg bedroht ist.

Kramp-Karrenbauer: (lacht) Der Schaumberg ist ein Symbol unseres Landes. Wenn man hier runterschaut, sieht man weite Teile des Saarlandes. Für mich ist dies ein Symbol dafür, dass es bei der Art und Weise, wie wir Politik machen, eben nicht um die Frage geht, wird an einigen Stellen mehr oder weniger gespart. Es geht um die Frage: Wie stellen wir die Weichen für die Zukunft des Landes, um seine Existenz zu sichern?

Die drängendste Frage dieses Sommers ist, ob das Land die Flüchtlinge unterbringen kann. Stehen dem Saarland dafür genügend Mittel zur Verfügung oder muss die CDU /SPD-Bundesregierung mehr tun?

Kramp-Karrenbauer: Es ist ein Riesen-Kraftakt, der nicht nur von uns, sondern von allen verlangt wird. Diese Flüchtlingswelle ist eine nationale Aufgabe, bei der jeder gefordert ist: der Bund, die Länder sowie die Städte und Gemeinden. Der Bund ist vor allem verantwortlich für das Aufnahmeverfahren, also für die Asylverfahren an sich. Deshalb muss auch der Bund seine Hausaufgaben machen, zum Beispiel mehr Stellen zu schaffen, damit die Verfahren zügig durchgeführt werden können.

Innenminister Klaus Bouillon spricht angesichts der starken Zunahme der Flüchtlingszahl von "Notstand" und "Katastrophe": Sind das die richtigen Begriffe, um die Lage zu beschreiben oder werden so ausländerfeindliche Vorurteile bedient?

Kramp-Karrenbauer: Es ist eine schwierige Gratwanderung, die Realität und das, was auf uns zukommt, zu beschreiben. Dennoch gilt es deutlich zu machen, dass wir eine humanitäre Verpflichtung haben, diese Menschen aufzunehmen. Wenn man die Prognosen des Bundesamtes zu Jahresanfang sieht und jetzt weiß, dass die Zahl von 450 000 Flüchtlingen 2015 noch übertroffen werden wird, ist es richtig, dass Minister Bouillon darauf hinweist: Wir werden dann eine Katastrophe haben, wenn wir nicht alle Kräfte bündeln und alle Maßnahmen ergreifen, damit die Menschen nicht nur ordentlich untergebracht, sondern auch schnell integriert werden.

Können Sie sich vorstellen, dass Sie in Kürze entscheiden müssen, auf den eigenen Urlaub zu verzichten, um bei der Unterbringung der Flüchtlinge selbst einen Krisenstab zu leiten und die Flüchtlingsaufnahme zur Chefsache zu machen?

Kramp-Karrenbauer: Die Sache ist Chefsache, denn alles das, was Minister Bouillon und auch die Sozialministerin Monika Bachmann in diesem Thema unternehmen, ist immer eng abgestimmt mit der Staatskanzlei. Natürlich bin ich in meinem Urlaub jederzeit erreichbar - und wenn die Situation es erfordert, binnen weniger Stunden wieder im Saarland.

Bundesweit sind Sie in der jüngsten Vergangenheit mit dem kontrovers diskutierten SZ-Interview zur Homo-Ehe in den Schlagzeilen gewesen. CDU-Altvater Heiner Geißler hat Teile der CDU nach der Berliner CDU-Abstimmung gegen die Homo-Ehe als reaktionär bezeichnet. Ziehen Sie sich diesen Schuh an, sind Sie reaktionär?

Kramp-Karrenbauer: Nein. Das lasse ich auch so nicht für die CDU stehen. Die CDU ist eine Volkspartei. Wir haben viele Stimmen in der Partei, die sich für die vollständige Öffnung der Ehe aussprechen. Aber auch große Teile der Partei, die das skeptisch und zurückhaltend sehen. Wir bieten ein Dach für alle diese Stimmen. In der Frage der Homo-Ehe bin ich im wahrsten Sinne des Wortes konservativ und dazu stehe ich auch.

Sind sie für eine Abstimmung über die Homo-Ehe in der Saar-CDU? Wie würde die ausgehen?

Kramp-Karrenbauer: Ich wage keine Prognose. Ich halte eine Abstimmung eher für schwierig. Entweder muss man die Fragestellung stark vereinfachen, was dem Thema nicht gerecht wird. Eine differenzierte Fragestellung wiederum könnte zu kompliziert werden. Ich sehe meine Hauptaufgabe als CDU-Landesvorsitzende darin, die Volkspartei zusammenzuhalten. In Sachen Homo-Ehe gibt es bei uns eben nicht nur die eine Meinung.

Es gibt derzeit viel Stress mit den französischen Nachbarn, wenn es um Umweltfragen geht. Carling und Bure sorgen für Streit, Cattenom ist ein Dauerbrenner. Warum reichen die Gremien in der Großregion nicht? Sie sind Frankreich-Expertin, können Sie keine Moderatorenrolle einnehmen?

Kramp-Karrenbauer: Das klärt die Realität, nämlich das nationale Recht, die nationale Politik. Wir stellen fest, dass wir gerade in der Atomenergie zwei vollkommen unterschiedliche Sichtweisen haben. Die saarländische Landesregierung bringt sich in die Verfahren, so es rechtlich möglich ist, ein. Wir schöpfen alle politischen Möglichkeiten aus. Trotzdem muss man sehen, dass wir in der Region nicht die ausreichenden Mittel haben, um auch autonome Regelungen zu treffen, die von den nationalen Richtlinien abweichen. Ich wünsche mir, dass alle grenzüberschreitenden Regionen in Europa einen Vorstoß machen und darauf drängen, in ihren Grenzregionen mehr Spielraum für Modellprojekte zu bekommen.

Nächste Woche soll Ihr Bild in der "Galerie der großen Europäer" im Robert Schuman-Zentrum in Scy-Chazelles enthüllt werden. Glauben Sie, dass Sie eine große Europäerin sind?

Kramp-Karrenbauer: Nein. Das bin ich nicht. Ich war eher sehr überrascht, als ich die Mitteilung bekommen habe. Ich war auch beschämt, denn der Begriff "große Europäer" ist aus der deutsch-französischen Perspektive belegt mit Namen wie Schuman, Adenauer und de Gaulle. Mich in diese Reihe zu stellen, halte ich für vermessen. Ich bin ein Kind dieser Region und kann tagtäglich erleben, worin der Wert eines zusammenwachsenden Europas besteht. Die Aufgaben, die wir noch nicht erledigt haben, treiben mich an. Insofern ist die Bild-Enthüllung eher ein Ansporn, daran weiterzuarbeiten.

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Zur PersonAnnegret Kramp-Karrenbauer hat gestern ihren 53. Geburtstag gefeiert. Sie ist verheiratet mit Helmut Karrenbauer, mit dem sie drei Kinder hat. Die Familie wohnt in Püttlingen. Sie ist seit 2011 CDU-Chefin und Ministerpräsidentin im Saarland und folgte Peter Müller nach. Seit 2010 ist sie Mitglied im CDU-Bundespräsidium. Von 2000 bis 2007 war sie Innenministerin im Kabinett Müller. Von 2007 bis 2009 war sie Chefin im Kultusministerium. Von 2009 bis 2011 Sozialministerin in der Jamaika-Koalition, ehe sie Ministerpräsidentin wurde. Anfang 2012 ließ sie Jamaika platzen und regiert seit den Landtagswahlen 2012 mit der SPD . dik

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