Interview mit Dirk Wiese „Cyberspionage strapaziert unsere Freundschaft“

Berlin · Der Russlandbeauftragte der großen Koalition sieht trotz der jüngsten Hackerangriffen Zeichen einer deutsch-russischen Annäherung. Jetzt sei aber Moskau gefragt.

 Dirk Wiese ist in der Regierung für Russland-Fragen zuständig.

Dirk Wiese ist in der Regierung für Russland-Fragen zuständig.

Foto: SPD

Nach Ende des Gesprächsforums „Petersburger Dialog“ in Moskau sieht der Russlandbeauftragte der Bundesregierung, Dirk Wiese (SPD), Zeichen einer weiteren deutsch-russischen Annäherung. Gleichwohl würden die Cyber- und Hackerangriffe das Verhältnis beider Länder neu belasten, meint Wiese im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Wiese, sehen Sie Verbesserungen in den deutsch-russischen Beziehungen?

WIESE Wir reden wieder intensiv miteinander. Es hat in den vergangenen Wochen und Monaten viele Treffen auf höchster Regierungsebene gegeben, auch beim Petersburger Dialog in Moskau war mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier ein deutscher Minister vertreten. Das zeigt, dass wir den Kontakt weiter intensivieren.

Aber bei keinem der großen politischen Konfliktthemen mit Russland gibt es doch wirklich echte Fortschritte.

WIESE Das stimmt leider noch. Es gibt Punkte, da werden wir noch länger brauchen, um Lösungen zu finden. Wir haben unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim, überdies fehlen notwendige Fortschritte im Minsk-Prozess im Hinblick auf die Ost-Ukraine. Das ist sehr bedauerlich. Und trotzdem dürfen wir zum Beispiel die Beziehungen, gerade mit der Eurasischen Wirtschaftsunion, nicht aus den Augen verlieren.

Inwieweit könnte Europa der russischen Seite entgegenkommen?

WIESE Trotz der Schwierigkeiten auf politischer Ebene kommen wir im Kleinen gut voran. Das sollten wir auch beibehalten. Wir sollten ein Signal für die jüngere Bevölkerung in Russland setzen. Deswegen bin ich dafür, jungen Russen bis 25 Jahre die Möglichkeit einzuräumen, ohne Visa nach Europa einreisen zu dürfen. Die Visafreiheit würde dazu beitragen, Vorurteile gegenüber Europa und Deutschland abzubauen und den Schüler- und Studentenaustausch zu erleichtern.

Allerdings belastet ein neuer Großkonflikt die Beziehungen – der um Cyberspionage und Hackerangriffe von russischer Seite. Beunruhigt Sie das?

WIESE Eindeutig ja. Das geht nicht. Wir haben diese Vorgänge beim Petersburger Dialog klar angesprochen. Das strapaziert unsere Freundschaft aufs Neue. Wer wieder stärker mit uns kooperieren möchte und Normalität in den Beziehungen will, muss solche Handlungen unterlassen. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung hier Ross und Reiter genannt hat.

Appelle werden aber nicht reichen.

WIESE Diplomatisch haben die Vorgänge ja Konsequenzen gehabt. Und ich setze darauf, dass auch die russische Seite erkennt, wie sehr sie sich selbst mit ihrem Verhalten schadet.

Inwieweit nutzt es dem russischen Präsidenten Putin, dass die transatlantischen Beziehungen ebenfalls in einer tiefen Krise stecken?

WIESE Wir müssen erkennen: Die Schwierigkeiten, die im Verhältnis zu Russland bestehen, aber auch im Verhältnis zum Präsidenten der USA mit seinen unsäglichen Tweets, können nur bedeuten, dass wir uns stärker auf Europa besinnen. Dann ist der Nutzen für Putin stark begrenzt. Verlässlichkeit war immer eine Stärke der europäischen Zusammenarbeit. Dies muss in der jetzigen weltpolitischen Gemengelage mehr denn je gelten.

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