„Wie finden wir mehr Pflegekräfte?“

Saarbrücken · Rund 2,5 Millionen Menschen in Deutschland sind derzeit pflegebedürftig. Ihre Zahl wird angesichts des demografischen Wandels noch deutlich ansteigen. Pflegebeauftrager Karl-Josef Laumann erklärt im SZ-Gespräch, was zu tun ist.

 Karl-Josef Laumann (CDU) will die Pflegeleistungen in Stufe II erhöhen. Foto: Lorenz

Karl-Josef Laumann (CDU) will die Pflegeleistungen in Stufe II erhöhen. Foto: Lorenz

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In der Schule mag eine Note wie 1,5 tatsächlich sehr gut sein, für ein Pflegeheim kann sie "trotzdem grottenschlecht" sein. Sagt Staatssekretär Karl-Josef Laumann. Eine 1,5 hätte man landläufig wohl deutlich anders interpretiert. Der CDU-Politiker aus Nordrhein-Westfalen hat die etwas sperrige Berufsbezeichnung Beauftragter der Bundesregierung für die Belange der Patientinnen und Patienten sowie Bevollmächtigter für Pflege. "Das Übersetzen der Prüfberichte in Schulnoten, also der sogenannte ‚Pflege-TÜV‘, ist in seiner bisherigen Form gescheitert", sagt Laumann im SZ-Gespräch.

Von einem Pflegenotstand in Deutschland will er nicht sprechen. "Bislang bekommen alle pflegebedürftigen Menschen die notwendige Hilfe", sagt Laumann. Die Frage, die sich Laumann stellt, lautet eher: "Wie finden wir in Deutschland jedes Jahr zwei bis drei Prozent mehr Pflegekräfte?" Das bedeute eine Riesenanstrengung. Denn aufgrund des demografischen Wandels würden jedes Jahr voraussichtlich auch zwei bis drei Prozent mehr Menschen pflegebedürftig. Derzeit sind nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums rund 2,6 Millionen Menschen pflegebedürftig, rund zwei Drittel davon werden zu Hause gepflegt, ein Drittel in Heimen.

Um mehr Menschen in den Pflegeberuf zu bringen, braucht es laut Laumann einen "Imagewandel". Und was ist mit den teils niedrigen Löhnen? "Es gibt viele Regionen, in denen Tarifverträge eingehalten werden. Dort haben wir faire Lohnverhältnisse. Es gibt aber auch Regionen in Deutschland , wo das ignoriert wird", sagt Laumann. Und das "wurmt" ihn. Generell gebe es hierzulane offenbar ein "Süd-Nord-Gefälle", heißt: Im Süden wird besser bezahlt. Laumann lässt die Gründe für die regionalen Gehaltsunterschiede in einer Studie untersuchen. Andernorts in Europa, etwa in den Niederlanden, wird die Pflege über Steuern finanziert, erläutert Laumann, während man sich in Deutschland für eine "Teilleistungsversicherung" entschieden habe, bei der die Versicherten einen Teil der Kosten tragen. "Bei einer Vollversicherung hätten wir erheblich höhere Beiträge und es gäbe so gut wie keine häusliche Pflege mehr." Ohne häusliche Pflege bräuchte man, so Laumann, deutlich mehr zusätzliche Pflegekräfte.

Wie groß der Bedarf heute schon ist, zeigt die Tatsache, dass viele Frauen aus Osteuropa, etwa Polen oder Rumänien, auf privater Basis Pflegebedürftige im Haushalt betreuen. Doch das ist teuer: Werden die Frauen regulär sozialversicherungspflichtig beschäftigt, bedeutet das Kosten von 1800 bis 2000 Euro monatlich. Dagegen sei bei ordentlichen Beschäftigungsverhältnissen nichts einzuwenden, sagt Laumann. Anders sei es bei einer illegalen Beschäftigung: "Schwarzarbeit bleibt Schwarzarbeit ." Auch die Kosten für die stationäre Pflege deckt die Pflegeversicherung nicht komplett ab. Die "Selbstzahler" müssen teils gehörig drauflegen. Mehr als jeder dritte Heimbewohner (37 Prozent) muss laut Laumann von der Sozialhilfe unterstützt werden, weil er die Kosten nicht zahlen kann.

Und wie sieht die Zukunft aus? Bleibt die Pflege bezahlbar? "Für die nächsten Jahre wird das Geld aus der Pflegeversicherung reichen, mittelfristig kann man weitere Beitragserhöhungen angesichts der demografischen Veränderungen aber nicht ausschließen", sagt Laumann. Wichtigstes Ziel von Laumanns Arbeit ist derzeit, dass der Begriff der Pflegebedürftigkeit neu definiert wird. Bei der Einführung der Pflegeversicherung vor 20 Jahren habe man den Aspekt der Anleitung und Betreuung von Pflegebedürftigen zum Beispiel im Fall einer Demenz nicht entsprechend gewürdigt. Das hat die Pflegewissenschaft inzwischen nachgeholt; Laumanns Ziel ist nun, die nötige Gesetzesänderung bis Ende 2015 zu verabschieden, damit der neue Begriff Anfang 2017 in Kraft tritt und umgesetzt wird. "Es wird eine völlig andere Praxis der Begutachtung geben, bei der Menschen mit Demenz überhaupt erst vollumfänglich in die Systematik der Pflegeversicherung aufgenommen werden", sagt Laumann. Die Umsetzung werde rund 2,4 Milliarden Euro kosten. "Das ist dann eine andere Pflegeversicherung als heute." Und: "Wir brauchen bei der Betreuung von Dementen auch mehr Personal im System." Und noch ein Ziel hat Laumann: "Bisher wurden die Leistungen der Tages- und Nachtpflege auf die Sachleistungen für die häusliche Pflege angerechnet. Das heißt: In der Pflegestufe II standen insgesamt 1100 Euro zur Verfügung. Ab 2015 gibt es einen Anspruch auf etwas mehr als 1100 Euro für Sachleistungen und zusätzlich rund 1100 Euro für die Tages- und Nachtpflege . Das ist de facto eine Verdoppelung. Ich bin zuversichtlich, dass der Bundestag das auch so be schließt."

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