China lässt Journalistin frei

Peking · Folter, Unrechtsurteile und politisch motivierte Verhaftungen sind in China weit verbreitet. Gestern gab es aber zumindest einen Hoffnungsschimmer: Ein Gericht in Peking hat die Journalistin Gao Yu auf Bewährung freigelassen.

Am schlimmsten war dieser Stuhl: ein Ungetüm aus kalten Metallröhren. Seine Peiniger ketteten Yu Wenshengs Hände hinter der Lehne zusammen und streckten seine Arme so lange, bis er vor Schmerzen schrie. Das war am 20. Tag seiner Gefangenschaft, erinnert sich der Pekinger Rechtsanwalt. Die Polizei hatte ihn ohne klare Angabe von Gründen festgenommen. Und Yu ist kein Einzelfall. Der Organisation Amnesty International sind allein zehn Anwälte bekannt, die in jüngerer Zeit im Gefängnis gefoltert wurden. Landesweit wendet die Polizei offenbar laufend Folter an, um Geständnisse zu erzwingen, ist das Fazit internationaler Untersuchungen.

Die Menschenrechtslage in China verschlechtert sich derzeit erheblich, berichten Organisationen, Anwälte und Experten übereinstimmend. "Wir haben Sorge, dass die Entwicklung in die falsche Richtung geht", sagte auch Christoph Strässer, Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung. Folter , politisch motivierte Verhaftungen , Unrechtsurteile und "Verschwinden" sind in China weiterhin weit verbreitet.

Gestern folgte zumindest ein Hoffnungsschimmer: Ein Gericht in Peking hat die Journalistin Gao Yu auf Bewährung freigelassen. Die Richter verkürzten die Strafzeit von sieben auf fünf Jahre und ließen Gao aus gesundheitlichen Gründen vorerst laufen. Die deutsche Bundesregierung hatte sich für diese Lösung starkgemacht: Gao ist 71 Jahre alt und hat Herzprobleme. Die chinesische Staatsanwaltschaft wirft ihr vor, Geheimnisse veröffentlicht zu haben.

Doch auch wenn Gao nun vorerst frei kommt: In China sitzen noch 150 Journalisten in Haft, dazu kommen 30 Menschenrechtsanwälte. Ihre Geschichten ähneln sich: Gao hatte wie Anwalt Yu unter Druck vorgefertigte Geständnisse unterschrieben.

China leugnet, dass die Polizei Aussagen durch Folter erpresst. Die eisernen Stühle dienten der Sicherheit und Bequemlichkeit der Gefangenen, sagten Vertreter Pekings vor einer Kommission der Vereinten Nationen. "Ein Ende der Folter ist nicht in Sicht", urteilt Amnesty International .

Meinung:

Nur ein Trostpflaster

Von SZ-MitarbeiterFinn Mayer-Kuckuk

Die Entlassung von Gao Yu ist eine gute Nachricht: Sie war zu Unrecht eingesperrt. Zugleich zeigt das Verhalten des Gerichts aber, dass sich in China nichts geändert hat. Die Richter haben Yu aus medizinischen Gründen entlassen. Das ist kein juristischer Freispruch von dem Vorwurf der Spionage. Es handelt sich um ein Trostpflaster. China macht mit der Eiszeit-Politik einen Fehler. Die Regierung will, dass die Wirtschaft innovativ wird und junge Leute gute Ideen haben. Zugleich schafft sie ein Klima der Angst. Das passt nicht zusammen. Die Führung redet viel von der "Einführung des Rechtsstaats". Zugleich will die Partei die Justiz weiter kontrollieren. Das ist scheinheilig.

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