Hollandes Kabinett der Einheit

Paris · Nur anderthalb Tage nach dem Rücktritt der französischen Regierung steht bereits das neue Kabinett. Überraschend wird Präsident Hollandes früherer Berater Emmanuel Macron neuer Wirtschaftsminister und Nachfolger des geschassten Arnaud Montebourg.

Mehr als fünf Stunden saßen François Hollande und Manuel Valls gestern Nachmittag im Elysée-Palast zusammen. Der französische Präsident und der Premierminister feilten lange an der neuen Regierung, nachdem das alte Kabinett am Montag über dem Streit um die Wirtschaftspolitik zerbrochen war. Eine "Regierung der Klarheit" solle es diesmal werden, ließ Hollande schon am Morgen mitteilen und platzierte seine Vertrauten auf Schlüsselposten.

Im neuen Kabinett sitzen neben dem neuen und alten Premier Valls acht Ministerinnen und acht Minister . Das wichtige Wirtschaftsressort soll künftig überraschend Hollandes früherer Berater und enger Vertrauter Emmanuel Macron leiten, der damit Nachfolger des eigenwilligen Linksaußen Arnaud Montebourg wird. Der Vorkämpfer des "Made in France" musste am Montag nach Kritik am unternehmerfreundlichen Kurs die Regierung verlassen. Montebourg hatte einen Politikwechsel von Präsident Hollande mit mehr Ausgaben zur Förderung des Wachstums gefordert.

Von Macron ist keine Kritik an der Wirtschaftspolitik zu erwarten. Der ehemalige Rothschild-Banker Macron ist genau das Gegenteil seines schrillen Vorgängers. Der 36-Jährige gilt als Architekt des "Verantwortungspaktes", der die Unternehmen um 40 Milliarden Euro entlastet. "Das ist kein gutes Zeichen", kritisierte der Abgeordnete Jean-Marc Germain vom linken Flügel der Sozialisten im Fernsehen die Berufung des Finanzexperten, der kein Abgeordnetenmandat hat. Macron übernimmt auch das Industrieressort, wo er allerdings einen schweren Kampf ausfechten muss. Denn 700 000 Industriearbeitsplätze sind in Frankreich in den vergangenen gut zehn Jahren verloren gegangen.

Eng muss der neue Minister mit Finanzminister Michel Sapin zusammenarbeiten. Das Duo dürfte allerdings erfolgreicher im Doppelministerium für Wirtschaft und Finanzen sein als Montebourg und Sapin.

Auch im Bildungsministerium setzt der Sozialist Hollande auf eine Vertraute: die junge Frauenministerin Najat Vallaud-Belkacem. Die frühere Regierungssprecherin folgt auf den zur Parteilinken zählenden Abgeordneten der Sozialisten Benoît Hamon, der sich dem kritischen Kurs von Montebourg angeschlossen hatte und deshalb nicht mehr in der neuen Regierung vertreten ist. Unverändert bleiben die Schlüsselressorts wie Innen, Außen und Verteidigung. Und auch Hollandes ehemalige Lebensgefährtin Ségolène Royal gehört weiter der Regierung an: als Umwelt- und Energieministerin.

Auch Justizministerin Christiane Taubira konnte Hollande in der Regierung halten. Über das Ausscheiden der Justizministerin war spekuliert worden, da sie den Ideen Montebourgs nahesteht. Doch ihre Radikale Linkspartei entschied, als Koalitionspartner in der Regierung zu bleiben. Und Taubira leistete den Treueeid auf die Wirtschaftspolitik und bleibt dem Präsidenten damit als wichtige Vertreterin des linken Spektrums erhalten. Gescheitert ist das Führungsduo Hollande-Valls allerdings bei seinem Versuch, die Grünen wieder in die Regierung zurückzuholen. "Die Bedingungen für die Beteiligung der Grünen sind nicht gegeben", twitterte Parteichef Jean-Vincent Placé am Nachmittag. EU-Kommissar Günther Oettinger hat die Neuaufstellung der französischen Regierung als überfällig bezeichnet. "Das war dringend notwendig", sagte der CDU-Politiker gestern in Berlin. Er attackierte den nun abgetretenen Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg, der sich gegen einen Sparkurs von Präsident François Hollande gestemmt hatte. "So wie vor vielen Jahren Herr Lafontaine ausschied und dies Herrn Schröder geholfen hat, hat Herr Hollande endlich Minister , die seinen Kurs unterstützen. Nach den unmöglichen Äußerungen des ausgeschiedenen Ministers für Wirtschaft war dieser Schritt überfällig."

Der frühere SPD-Chef Oskar Lafontaine war 1999 nach nur wenigen Monaten im Amt des Finanzministers zurückgetreten. Er hatte den wirtschaftsfreundlicheren Kurs des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder (SPD ) nicht mittragen wollte. Später trat Lafontaine auch aus der SPD aus und wechselte zur Linkspartei.

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