Suche nach Ursache für Absturz beginnt

Moskau/Kiew/Washington · Für viele Angehörige ist der Umgang mit den Toten des MH17-Absturzes unerträglich. Jetzt übernehmen allmählich internationale Experten unter Federführung der Niederlande die Arbeit.

Nach dem Absturz von Flug MH17 in der Ostukraine geht Russland erstmals mit eigenen Ermittlungsergebnissen in die Offensive. Der russische Generalstab präsentierte gestern in Moskau Satellitenaufnahmen und Karten mit Flugbahnzeichnungen vom Absturztag. Das Militär forderte die Ukraine auf, Auskunft über einen Kampfjet zu geben, der sich der Unglücksmaschine genähert haben soll. Nach Angaben des russischen Militärs näherte sich ein Abfangjäger vom Typ Suchoi-25 der Malaysia-Airlines-Boeing am Donnerstag bis auf fünf Kilometer. So ein Kampfjet sei mit Luft-Luft-Raketen bewaffnet, die auf diese Entfernung ein Ziel hundertprozentig zerstören könnten, sagte Generalleutnant Andrej Kartopolow vom russischen Generalstab . Er rief die Amerikaner auf, eigenes Kartenmaterial zu veröffentlichen.

Die USA verdächtigen die Separatisten, die Zivilmaschine mit 298 Menschen an Bord mit einer Boden-Luft-Rakete abgeschossen haben. Zuvor hatte die Ukraine behauptet, umfassende Beweise - darunter Satellitenaufnahmen - dafür zu haben, dass die prorussischen Kräfte mit einem "Buk"-System auf die Boeing 777-200 geschossen hätten.

Der UN-Sicherheitsrat in New York hat gestern Abend per Resolution eine unabhängige Untersuchung des mutmaßlichen Abschusses gefordert. Ukrainische Helfer und Freiwillige beendeten derweil die Suche nach Leichen in dem Trümmerfeld, das in Separatistengebiet liegt. Wie Vizeregierungschef Wladimir Groisman in Kiew sagte, wurden in dem auf 50 Quadratkilometer erweiterten Suchgebiet 282 Leichen sowie 87 Leichenteile der übrigen 16 Todesopfer gefunden. Die sterblichen Überreste von mindestens 251 Opfern seien in Eisenbahn-Kühlwaggons gebracht worden. Der Zug startete nach Angaben der Agentur Interfax gestern Abend von der Ortschaft Tores ins rund 300 Kilometer entfernte Charkow. In der Stadt warte eine internationale Gruppe von 31 Experten zur Identifizierung der Opfer, unter anderem aus den Niederlanden und Deutschland, sagte Groisman.

Die Niederlande wollen die Opfer so schnell wie möglich außer Landes bringen. "Die Identifizierung geht in den Niederlanden viel schneller", sagte Ministerpräsident Mark Rutte im Parlament in Den Haag. Auf dem Flugplatz von Charkow steht eine Herkules-Maschine der niederländischen Armee bereit. Heute kommen die Außenminister der Europäischen Union in Brüssel zusammen, um über die Ukraine-Krise und Konsequenzen aus dem Absturz zu beraten. Der Ruf nach schärferen Sanktionen wird immer lauter. Was Putin gestern in Moskau zum Abschuss von Flug MH17 und dem menschenunwürdigen Umgang mit den Opfern sagte, war die Fortsetzung des bisherigen Lügenspiels. Es hat die gesamte Krise, von der ersten Maskerade auf der Krim an, gekennzeichnet. Heute, beim EU-Außenministertreffen in Brüssel, muss die nächste Stufe der Sanktionen gezündet werden, und zwar gezielt gegen große russische Unternehmen. Nicht zur Bestrafung, obwohl es dafür nach diesem Massenmord mit russischem Gerät Grund genug gäbe. Sondern um von Moskau endlich ernst genommen zu werden. Keine einzige Abmachung wurde bisher eingehalten, kein Versprechen erfüllt. Eine schnelle und fühlbare Sanktionsentscheidung ist nötig, um Putin aus seinem Lügentraum zu wecken. Oder ihn von der russischen Oberschicht, die auch bloß Geld verdienen will, wecken zu lassen.

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