Britische Rechtspopulisten verschärfen Wahlkampf

London · Die rechtspopulistische Unabhängigkeitspartei Ukip greift wenige Wochen vor der Parlamentswahl die großen britischen Parteien an. Immerhin könnten die Europahasser Labour und Tories am Erringen einer klaren Mehrheit hindern.

Als Mitte des vergangenen Jahrhunderts Hunderte Menschen aus aller Welt per Schiff ins Vereinigte Königreich einwanderten, stellten sich viele von ihnen vor, Großbritanniens Straßen seien mit Gold gepflastert. Sie wurden enttäuscht. Heute muss es zahlreichen EU-Migranten ähnlich ergehen. Statt offener Arme gibt es vielerorts misstrauische Blicke, vor allem seit das Thema Einwanderung zunehmend die politische Debatte bestimmt. Seit Immigration laut Umfragen zu den größten Sorgen der Briten zählt.

Die Anti-EU-Partei Ukip hat einen großen Teil zu der Stimmung beigetragen, nun will sie sich wenige Wochen vor der Parlamentswahl am 7. Mai endgültig in der politischen Landschaft ansiedeln. Auf ihrem gerade in Margate im Südosten stattfindenden Parteitag sind die Populisten denn auch auf Angriff gebürstet. Es geht gegen das Establishment, die etablierten Parteien, die EU. Und gegen offene Grenzen. Gestern beschrieb der Ukip-Vorsitzende Nigel Farage in seiner Rede zur Immigration seine Vorstellung, wie eine Rückkehr zur "Normalität" möglich sei.

Den Zeitpunkt, um an Ukips Lieblingsthema zu erinnern und sich wieder in die Schlagzeilen zu bringen, hätte er sich kaum besser wählen können. Erst Ende vergangener Woche gab die Nationale Statistikbehörde NSO bekannt, dass die Zahl der Nettoeinwanderung auf fast 300 000 angeschwollen ist. Und das, obwohl der konservative Premierminister David Cameron bei seinem Amtsantritt vor fünf Jahren "ohne Wenn und Aber" versprochen hatte, die Immigrationsstatistik auf unter 100 000 zu senken. Das derzeitige System sei laut Farage "nicht aufrecht zu erhalten, unfair und unrecht", da es EU-Einwanderer bevorzuge.

Gestern unterbreitete er der Bevölkerung seine Lösung, auch wenn er von der Aussage des Partei-Sprechers Steven Woolfe, die Einwanderung sollte auf 50 000 Menschen pro Jahr gedeckelt werden, zurückruderte. Die Bevölkerung sei es leid, von Obergrenzen und Zielvorgaben zu hören, meinte Farage.

Er wünscht sich zur Regulierung der Zuwanderung eine Mischung aus einem Punktesystem nach australischem Vorbild, bei dem die Regierung kontrollieren kann, dass nur hoch qualifizierte Arbeiter mit Visa, die bis zu fünf Jahre gültig sind, ins Land kommen. Zudem sollen ungelernte Arbeitskräfte fünf Jahre lang kein Visum erhalten. Neuankömmlinge müssten privat krankenversichert sein und würden keine Ansprüche auf Sozialleistungen haben. Dafür würde Ukip eine neue Einwanderungs-Überwachungseinheit einrichten und so die dauerhafte Immigration auf wenige zehntausend Menschen pro Jahr drücken. Die Tatsache, dass das Recht auf Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union es jedem Bürger erlaubt, in einem anderen EU-Land zu leben und zu arbeiten, ließ er aus.

Auch wenn manche Meinungsforscher die Rechtspopulisten bei etwa 15 Prozent der Stimmen sehen, aufgrund des britischen Mehrheitswahlrechts schätzen Experten, dass Ukip nur vier bis fünf Sitze gewinnen werden. Trotzdem gelten Farage und Co. bereits jetzt als Schreckgespenster des Establishments. Denn an eine klare Mehrheit für entweder die sozialdemokratische Labour-Partei oder die konservativen Tories, glaubt kaum mehr jemand.

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