Das Aus für die Odenwaldschule

Heppenheim · Die Bemühungen waren vergeblich, die Odenwaldschule steht vor ihrem Ende. Die früheren Missbrauchsfälle und neue Vorwürfe haben das Vertrauen in das Internat in Hessen nachhaltig zerstört.

Bekannte Namen wie Klaus Mann , Beate Uhse und Daniel Cohn-Bendit haben etwas gemeinsam: Sie waren Schüler der Odenwaldschule. Das Internat in Südhessen hat eine über 100-jährige Geschichte - und wird ab dem Sommer wohl selbst Geschichte sein. Der Missbrauchsskandal, der 2010 ans Licht kam, lag über der Reformschule wie ein Schatten. Sie hat ihn offensichtlich nicht mehr losbekommen. Der Schule fehlt das Geld, um sich die nächsten Jahre zu finanzieren - nach eigenen Angaben geht es um 2,5 Millionen Euro.

An mindestens 132 Schülern hatten sich Lehrer vor Jahrzehnten vergriffen. Die Aufarbeitung des Skandals kam erst spät. Dann im vergangenen Jahr ein neuer Schock: Ein Lehrer gestand, Kinderpornos besessen zu haben. Es folgten Missbrauchsverdächtigungen gegen einen Arzt. Sie bestätigten sich zwar nicht, doch es gab neue negative Schlagzeilen. Die Behörden erhöhten den Druck und forderten ein schlüssiges Finanzkonzept von dem privaten Internat, das schon zuvor kontinuierlich Schüler verloren hatte. Derzeit sind es noch 149 - und damit deutlich zu wenig, um die Einrichtung zu retten.

Das Leitbild der Schule ist - oder war -, dem Einzelnen gerecht zu werden beim Lernen, den Austausch der Gemeinschaft zu pflegen, Lernen als Abenteuer zu entdecken. Dieses Abenteuer in der idyllisch gelegenen Schule mitten im Grünen soll nun mit Beginn der Sommerferien zu Ende gehen: "Morgen wird mit der Abwicklung angefangen", sagte der Vize-Landrat des für die Schule zuständigen Kreises Bergstraße, Matthias Schimpf (Grüne).

Es ist aber nur vordergründig das Geld, das die Schule nun nicht in ausreichender Höhe vorweisen kann, um zu überleben. Es geht auch um Vertrauen, das aufgebraucht scheint. So sieht es auch der neue Schulchef Marcus Halfen-Kieper, der gestern sichtlich frustriert vor die Journalisten trat: Die Schule habe extrem viel Vertrauen verloren, auch bei den Kreditinstituten, berichtete er von seinen vergeblichen Bemühungen, die leeren Kassen zu füllen.

Bereits zuvor hatte Halfen-Kieper betont: "Die Schule steht, wo sie nun steht, durch eigene Fehler, durch die eigenen Strukturen, durch Wegsehen und Wegducken, durch eigenes Nichthandeln." Weder den Medien, noch den Aufsichtsbehörden, der Politik, schon gar nicht den Missbrauchsopfern dürfe die Verantwortung dafür zugeschoben werden.

Dabei hatte die Schule das Steuer nach dem Skandal herumreißen wollen. Ein Neuanfang sollte das Internat retten - es gab eine neue Rechtsform als gemeinnützige GmbH und ein neues Leitungsteam. "Wir wollen nicht nur von einem Neuanfang reden, es folgen auch die notwendigen Taten", hatte Halfen-Kieper noch im Februar erklärt. "Dazu zählt, dass wir alte Strukturen aufbrechen und mit einem völlig neuen Aufbau auf ein Miteinander setzen."

Die Belegschaft verzichtete auf ein Zehntel ihres Gehalts, die Eltern mobilisierten Geld. Zudem gab es Immobilienverkäufe und eine private Bürgschaft von 600 000 Euro. Doch es half alles nichts. "Ich habe mir die Füße wund gelaufen und die Finger wund telefoniert", fasste der Schul-Chef nun zusammen. "Leider ohne durchschlagenden Erfolg."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort