David Camerons Wutanfall sorgt für Eklat in Brüssel

Brüssel · Bei dieser Nachricht platzt David Cameron der Kragen: Weil sich die britische Wirtschaft besser entwickelt hat als erwartet, soll sein Land eine saftige Nachzahlung an die EU leisten. Um die Summe aufzutreiben, sind nur Wochen Zeit.

"Unmöglich. Inakzeptabel. Unerträglich." Der britische Premier David Cameron schäumte vor Wut, sprang auf, ließ die verdatterten Staats- und Regierungschefs einfach sitzen. Das war am Donnerstagabend. Eben hatte der Mann aus London erfahren, dass zuhause unangenehme Post auf ihn wartete: ein Brief der EU-Kommission samt Rechnung über 2,1 Milliarden Euro . Zahlbar bis zum 1. Dezember. Der Grund: Die Wirtschaft der Insel habe sich seit 1995 besser entwickelt als erwartet. Bei einer Neuberechnung der Beiträge - derzeit überweist das Vereinigte Königreich 9,6 Milliarden Euro jährlich an die Gemeinschaft - habe sich deshalb eine Nachzahlung ergeben. Ähnliche Post bekam auch der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte , der allerdings weniger aufgebracht von einer "unangenehmen Nachricht" sprach. Seine Nachzahlung beläuft sich auf 600 Millionen Euro. Dagegen soll Deutschland 779 Millionen erstattet bekommen, Frankreich sogar eine Milliarde.

Noch gestern wollte der Wut-Bürger Cameron sich nicht beruhigen. "Wir sind seit Jahren Mitglieder dieser Gemeinschaft. Und jetzt haut man uns eine Rechnung hin, die innerhalb von vier Wochen bezahlt werden soll. Niemals", rief er vor Journalisten aus. José Manuel Barroso, der scheidende Kommissionspräsident, wurde von Cameron noch auf dem Flur zur Rede gestellt, musste aber zugeben, dass er "keine Ahnung" habe - was den Briten noch mehr aus der Haut fahren ließ. Der EU-Gipfel hatte seinen Eklat. Zwar räumten Vertreter der Brüsseler Behörde gestern ein, dass die Milliardenforderung angesichts der innenpolitischen Lage Großbritanniens, wo in drei Jahren über den Verbleib in der EU abgestimmt werden soll, "etwas ungünstig" gewesen sein könne. Allerdings handele es sich um eine "gängige und automatische Anpassung". Mit anderen Worten: Da kann man nichts machen.

Während Cameron nun ein Sondertreffen der EU-Finanzminister verlangt, um "den Vorgang gründlich zu besprechen und dafür zu sorgen, dass die Rechnung vom Tisch kommt", zeigten sich Vertreter des Europäischen Parlamentes "entsetzt" über das Auftreten des Premiers. "Pizza bestellen und dann nicht bezahlen wollen, geht nicht", erklärte beispielsweise der Haushaltsexperte der sozialdemokratischen Fraktion, Jens Geier (SPD ). Die EU lebt zu etwa 70 Prozent von den Beiträgen der Mitgliedstaaten, die sich aus dem jährlichen Bruttoinlandsprodukt (etwa ein Prozent) errechnen. Je nach Wirtschaftsentwicklung können die Zahlungen deshalb schwanken.

Dabei war der Brite nicht der Einzige, dessen Ausbruch von sich reden machte. In den Tagen vor dem Gipfel hatte die EU-Kommission nämlich mehrere blaue Briefe zu den Haushaltsdaten verschickt. Keineswegs unerwartet ging auch ein Defizit-Mahnschreiben an den italienischen Premier Matteo Renzi. Das sorgte für den zweiten Wutanfall auf diesem Gipfel. Renzi ließ sich zu der Äußerung hinreißen, er werde "jetzt mal die Kosten für die europäischen Paläste" auflisten. Gestern hatte er sich wieder beruhigt und ruderte zurück.

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