Die Nato rüstet auf

Brüssel · Die Nato will ihre östlichen Mitglieder schützen, falls sie von Russland bedroht werden. Angesichts der Ukraine-Krise soll die Präsenz des Bündnisses in Osteuropa verstärkt und fünf Stützpunkte ausgebaut werden.

Die Nato geht in Stellung. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte macht sich das Bündnis auf, in fünf Staaten des ehemaligen Warschauer Paktes Stützpunkte auszubauen und dauerhaft Truppen dort zu stationieren, vorerst allerdings keine Kampfeinheiten. "Russland ist der Auffassung, dass die Nato ein Gegner ist", sagte der Generalsekretär des Bündnisses, der Däne Anders Fogh Rasmussen , gestern in Brüssel und läutete damit die heiße Phase vor dem am Donnerstag beginnenden Gipfel im walisischen Newport (Großbritannien) ein. "Wir sollten nicht naiv sein. Wir werden uns dieser Situation anpassen."

Damit gibt es kaum einen Zweifel mehr: Die Allianz wird das bisher strikt unter Verschluss gehaltene Dokument mit dem Titel "Readiness Action Plan" (Aktionsplan Bereitschaft) annehmen und den Katalog der Maßnahmen, die da auf 20 Seiten aufgelistet werden, akzeptieren. Dazu gehört der Ausbau von Stützpunkten in den baltischen Staaten sowie Rumänien und Polen inklusive der Besetzung mit je 300 bis 600 Soldaten. Außerdem soll eine 4000 Mann starke schnelle Eingreiftruppe ins Leben gerufen werden, die binnen zwei bis sieben Tagen in eine Krisenregion verlegt werden kann - schneller als die bisherige Nato Response Force. Einen Bruch der Gründungsakte des Nato-Russland-Paktes von 1997 sieht Rasmussen darin nicht.

In diesem Dokument verpflichtete sich das Bündnis, auf die "permanente Stationierung substanzieller Kampftruppen " auf dem Boden des einstigen Warschauer Paktes zu verzichten. Doch über die Begriffe "permanent" und "Kampftruppen " kann man streiten. Der Gipfel der 28 Mitglieder in Wales steht im Zeichen der Krise. Dabei wollten die 28 Staats- und Regierungschefs eigentlich mehr über Ausrüstung und den endgültigen Abzug der letzten Soldaten aus Afghanistan reden. Doch dieses Thema rückte an den Rand. "Für die Nato ist Europa und seine Sicherheit wieder zum Thema geworden", sagte gestern ein hochrangiger Diplomat.

Vor allem aus Litauen, Lettland und Estland kommen immer lautere Hilferufe nach Beistand durch das Bündnis. Gleichzeitig wächst das Unverständnis über die Zurückhaltung der deutschen Bundesregierung, der man im Bündnis Zögerlichkeit und überhebliches Auftreten attestiert. "Die Deutschen bremsen viel zu sehr", betonte am Wochenende ein polnischer Diplomat gegenüber unserer Zeitung. "Wann will Berlin denn endlich was tun? Wenn russische Truppen an der Grenze stehen?" Vor diesem Hintergrund wurde gestern im Bündnis mit großer Aufmerksamkeit verfolgt, dass sich Deutschland zu Waffenlieferungen an die irakischen Kurden entschlossen hat. "Das ist zwar nur ein Tropfen auf den heißen Stein", hieß es im militärischen Hauptquartier der Nato im belgischen Mons. "Aber immerhin hat sich die Bundesrepublik schon mal etwas bewegt." Die neo-russische Politik hat Brüssel mehr oder minder kalt erwischt. Mit einer derartigen Eskalation der Ukraine-Krise hatte kaum jemand gerechnet. Was nun folgt, ist nicht nur einfach ein Marschbefehl Richtung Osten, sondern zunächst eine behutsame Umorientierung, die nicht bei ein paar hundert Soldaten je Beobachtungsposten stehen bleiben kann. Der Allianz steht eine Wende bevor, die sich bis hin zu den Waffensystemen möglichst rasch vollziehen muss. Das Gipfeltreffen am Donnerstag und Freitag wird gespickt sein mit scharfen Worten, harten Verurteilungen Moskaus, offenbar aber nicht mit Beschlüssen, die Öl ins Feuer gießen. Das ist gut so.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort