Empörung über Galgen für Merkel

Berlin/Saarbrücken · Die Galgen-Attrappe bei einer Pegida-Demonstration sorgt für Empörung und Erschrecken. Auch die mögliche Errichtung von Transitzonen für Flüchtlinge erhitzte gestern weiterhin die Gemüter der Politiker.

Die jüngste Demonstration der Pegida-Bewegung hat nach Entgleisungen von Teilnehmern bundesweit Empörung ausgelöst. Auf der Kundgebung am Montagabend in Dresden war ein Galgen zu sehen, der daran hängenden Plakaten zufolge für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU ) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD ) "reserviert" sein sollte. Die Staatsanwaltschaft leitete gestern Ermittlungen ein, viele Bundespolitiker zeigten sich entsetzt.

"Das beunruhigt mich schon, da werden Grenzen überschritten", sagte Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU ). SPD-Vizechefin Manuela Schwesig erklärte im Kurznachrichtendienst Twitter : "Das geht gar nicht!" Die Episode entlarve die wahre Gesinnung der Demonstranten, die sich gerne als normale Bürger ausgäben: "Das sind also die besorgten Bürger von Pegida." Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD ), sprach im "Tagesspiegel" von einer "Verrohung des politischen Klimas".

Deutschland hat indessen die Kontrollen an seinen Grenzen bis Ende des Monats verlängert. Wegen des starken Zuzugs von Flüchtlingen sei die Lage nach wie vor so, "dass wir nicht auf diese Maßnahme verzichten können", sagte eine Sprecherin des Innenministeriums gestern. Die Bundesregierung hatte Mitte September Kontrollen vor allem an der deutsch-österreichischen Grenze wiedereingeführt - mit dem erklärten Ziel, den Zuzug zu begrenzen. Dieser ist indes nach wie vor hoch, weil Flüchtlinge in der Regel auch an Grenzkontrollen nicht abgewiesen werden.

Die Koalitionsparteien Union und SPD stritten derweil weiter über die Frage, ob die Einrichtung von Transitzonen an der Grenze sinnvoll sein könnte. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU ) zeigte sich "sehr verwundert" über die ablehnende Haltung der SPD . Als Regierungspartei müsse die SPD handeln, "Probleme beschreiben kann die Opposition", sagte er in Berlin. Die SPD könne "nicht Opposition und Regierung zugleich" sein. Auch Roland Theis , Generalsekretär der CDU Saar, sprach sich gestern für Transitzonen aus. Sie seien "eine sinnvolle Möglichkeit dar, um Asylverfahren zu beschleunigen und den Zuwanderungsstrom zu begrenzen".

SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi bekräftigte den Widerstand ihrer Partei gegen die Einrichtung von Transitzonen. Die Pläne seien "nicht praktikabel", der vorliegende Vorschlag "ist auch nicht menschengerecht", sagte Fahimi im ZDF-"Morgenmagazin". Er würde darauf hinauslaufen, "dass wir im Niemandsland große Haftzonen einrichten würden, das können wir uns so nicht vorstellen". Die saarländische SPD-Generalsekretärin Petra Berg sieht in Transitzonen an der deutschen Grenze einen Verstoß gegen EU-Recht. Die entsprechende Richtlinie sei nur für die EU-Außengrenzen gedacht.

Meinung:

Schäbig und abstoßend

Von SZ-KorrespondentHagen Strauß

Der selbst gebastelte Galgen, an dem Angela Merkel und Sigmar Gabriel baumeln sollen, muss zutiefst empören. Und wenn einer der Pegida-Organisatoren von "lächerlichen Bastelarbeiten" spricht, zeigt das umso mehr, welch Geisteskinder sich da in Dresden in die erste Reihe des Protestes stellen. Dass Verrohung und Radikalisierung insgesamt zunehmen, ist allerdings keine neue Erkenntnis. Das gilt für alle gesellschaftlichen Bereiche. Auch vom TTIP-Protest am vergangenen Wochenende kursiert das Foto einer blutverschmierten Guillotine. "Pass bloß auf Sigmar", steht auf einem angehefteten Plakat. Das ist genauso widerwärtig wie der Pegida-Galgen. Gegen diese Hetze müssen die Mittel des Rechtsstaates ausgeschöpft werden. Politiker halten zwar von Berufswegen viel aus. Doch alles bieten lassen müssen auch sie sich nicht.

Zum Thema:

HintergrundNur knapp jeder fünfte Asylbewerber verfügt nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) über eine berufliche oder akademische Ausbildung. An einer freiwilligen Befragung von Asylbewerbern hätten seit September 2014 etwa 400 000 Flüchtlinge teilgenommen, sagte ein BA-Sprecher der "Thüringer Allgemeinen". "Sieben Prozent der Befragten verfügten über eine akademische Ausbildung, elf Prozent über eine berufliche Ausbildung." Etwa 81 Prozent hätten hingegen keine formale Qualifikation angeben können. Da die Ergebnisse auf freiwilligen Angaben beruhten, sei die Befragung nicht repräsentativ. Zudem gelte die Einstufung "ohne formale Qualifikation" auch für Asylbewerber , die keinen Nachweis für ihren Berufsabschluss vorlegen könnten. In diesen Fällen müssten die Arbeitsagenturen klären, ob eine Qualifikation vorliege. afp

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