Opposition reicht Snowden-Klage ein

Berlin · Die Opposition will den „Whistleblower“ Edward Snowden unbedingt in Berlin haben – die Koalition dies unbedingt vermeiden. Nun wird der Streit juristisch ausgefochten.

Im Streit um eine Vernehmung des NSA-Enthüllers Edward Snowden in Berlin hat nun das Bundesverfassungsgericht das letzte Wort. Mit ihrer Klage will die Opposition im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags erreichen, dass das Gremium Snowden gegen den Willen der Koalition als Zeugen in Berlin vernimmt. Die Frankfurter Juraprofessorin Astrid Wallrabenstein reichte die Klage für Linke und Grüne ein, teilte sie am Freitag mit.

In der Klage wird der Regierung und dem Ausschuss vorgeworfen, ihre Pflichten verletzt zu haben. Denn die Beweisaufnahme im Ausschuss müsse ermöglicht werden. Der mit der Mehrheit von Union und SPD gefasste Beschluss, Snowden in Russland zu vernehmen, sei nicht praktikabel. "Genau das kann und will Snowden nicht", so Wallrabenstein.

Gegen die Regierung richte sich die Klage, weil diese sich weigere, eine Aussage vor dem Ausschuss in Berlin zu ermöglichen. Snowden wolle dafür sicheres Geleit sowie die Zusicherung, dass Deutschland ihn nicht an die USA ausliefere. Die wolle die Regierung nicht erfüllen. "Da die Beweiserhebung öffentlich erfolgen muss, liegt die Begründungslast, dass so etwas nicht geht, bei der Regierung", unterstrich die Juristin. An die USA ausgeliefert werden dürfe Snowden nicht, weil es um mögliche politische Straftaten gehe.

Ob Snowden nach einer möglichen Aussage in Deutschland bleiben wolle, wisse sie nicht, sagte Wallrabenstein. Die Regierung sieht keine Voraussetzungen für ein Asyl Snowdens. "Es gibt keine neue Haltung der Bundesregierung in Sachen Edward Snowden und Asyl in Deutschland", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert .

"Mit der Klage geht es uns darum, festzustellen (...), ob wir als Parlamentarier unsere Kontrollfunktion ausüben können oder ob Geheimdienste und Bundesregierung die Aufklärung kontrollieren", sagte die Linke-Obfrau im Ausschuss, Martina Renner. Das Gremium will die Ausspähungen des US-Geheimdienstes NSA und anderer Dienste in Deutschland aufklären, die durch die Dokumente Snowdens erst in großer Breite ans Licht gekommen waren. Grünen-Obmann Konstantin von Notz sagte: "Das Gesamtbild des globalen Überwachungsnetzwerkes entsteht nur aus der Gesamtschau." Diese könne nur Snowden liefern.

Union und SPD betonten erneut, sie wollen Snowden hören - in Moskau oder per Video. Dies lehnt wiederum der US-Informant aber ab. Snowdens deutscher Anwalt Wolfgang Kaleck sagte gestern "Zeit Online", er sehe nicht, "dass sich an der Situation etwas geändert hat". Snowden müsse alles vermeiden, was seinen Aufenthaltsstatus in Russland gefährden könne. "Dazu würde eine Befragung durch ausländische Parlamentarier gehören."

Der SPD-Obmann im Ausschuss, Christian Flisek, sagte der Opposition ein Scheitern voraus. "Es ist eine diffuse Melange abstruser politischer Argumente, die aus meiner Sicht rechtlich nicht verfangen." Auch wolle die Opposition die Dinge skandalisieren.

Meinung:

Asyl auf Umwegen

Von SZ-Korrespondent Hagen Strauß

Grüne und Linke wollen Edward Snowden nach Deutschland holen, um ihm die Chance auf einen sicheren Aufenthalt zu verschaffen. Egal, ob die Regierung dann in eine außenpolitische Zwickmühle gerät. Das steckt hinter der Auseinandersetzung um den Ort der Vernehmung. Der Plan der Opposition ist nicht verwerflich, sondern aller Ehren wert. Schließlich hat der Informant den größten Datenskandal überhaupt enthüllt. Auch wäre der Umweg über das Verfassungsgericht nicht nötig, wenn die Regierung bereit wäre, sich den Erwartungen der USA zu widersetzen. Sie könnte es ablehnen, Snowden bei einer Einreise auszuliefern. Aus Angst vor dem Freund will sie das aber nicht. Bleibt zu hoffen, dass die Richter hier zugunsten der Opposition entscheiden. Schließlich sind sie nicht politischer Rücksichtnahme verpflichtet, sondern dem Recht.

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