Debatte um Verjährung bei Plagiatsvorwürfen

Berlin · Nach Guttenberg und Schavan muss sich nun auch CDU-Hoffnungsträgerin von der Leyen gegen Plagiatsvorwürfe wegen ihrer jahrzehntealten Doktorarbeit wehren. Ist in solchen Fällen eine Verjährungsregelung für wissenschaftliches Fehlverhalten sinnvoll?

Nach den Plagiatsvorwürfen gegen die Doktorarbeit von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU ) ist erneut eine Diskussion über Verjährungsfristen entbrannt. Der Ombudsmann für die deutsche Wissenschaft, Jura-Professor Wolfgang Löwer aus Bonn, sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, ein Doktortitel solle nach 15 Jahren nicht mehr entzogen werden können. Es sei zwar richtig, dass der Doktortitel zu Beginn der Karriere Vorteile bringe - aber dieser Vorteil schwinde, je länger das Berufsleben andauere. "Durch den Entzug des Doktortitels wird der soziale Geltungsanspruch einer Person zerstört."

Löwer hatte sich schon bei früheren Plagiatsaffären, die wie im Fall von Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU ) zum Rücktritt führten, für die Einführung einer solchen Frist ausgesprochen. Von der Leyen hatte 1990, also vor 25 Jahren, promoviert. Ihre Arbeit zur Frauenheilkunde wird derzeit von der Medizinischen Hochschule Hannover auf Verstöße untersucht.

Dagegen warnte der Jura-Professor der Berliner Humboldt-Universität, Gerhard Dannemann, im ZDF-"Morgenmagazin": "Denken Sie nicht an die Politiker, denken Sie an die Wissenschaft." Er arbeitet seit Jahren bei der Internetplattform "Vroni-Plag" mit, deren Nutzer von der Leyen Regelverstöße bei ihrer Doktorarbeit vorwerfen. Aus den Auswertungen auf "VroniPlag Wiki" geht hervor, dass drei der beanstandeten Seiten der Leyen-Promotion zwischen 50 und 75 Prozent Plagiatstext enthalten und fünf Seiten mehr als 75 Prozent.

Schavan hatte ihr Ministeramt im Februar 2013 aufgegeben, nachdem der Fakultätsrat der Uni Düsseldorf für die Aberkennung ihres 1980 erworbenen Doktortitels gestimmt hatte. Nach Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU ) war sie das zweite Kabinettsmitglied, das Kanzlerin Angela Merkel (CDU ) durch eine Plagiatsaffäre verlor.

Im geringen Umfang der Arbeit von der Leyens (40 Seiten) sieht der Präsident der Berliner Humboldt-Universität, Jan-Hendrik Olbertz, noch keinen Anhaltspunkt für ein vermeintlich geringeres wissenschaftliches Niveau. Er sagte der "Bild"-Zeitung: "Die Länge einer Doktorarbeit sagt überhaupt nichts über ihre Qualität. Dann müssten ja die längsten Doktorarbeiten die besten sein."

Meinung:

Plagiate verjähren nicht

Von SZ-RedakteurinStefanie Marsch

Jetzt steht also Ursula von der Leyen am Pranger. Und so mancher verdreht genervt die Augen. Tatsächlich nimmt die gezielte Jagd nach prominenten Plagiatoren langsam fragwürdige Züge an. Eine Verjährungsfrist wäre aber die falsche Reaktion. Wer eine Doktorarbeit schreibt, muss die wissenschaftlichen Standards einhalten und dies sogar schriftlich bestätigen. Daran muss er sich auch in 15 Jahren noch messen lassen - und gegebenenfalls die Konsequenzen tragen: den Verlust des Titels. Ob nur unsauber gearbeitet oder bewusst abgeschrieben wurde, spielt dabei keine Rolle - wohl aber bei der öffentlichen Beurteilung. Muss wirklich jeder, dem in seiner Doktorarbeit Fehler unterlaufen sind, gleich zurücktreten? Bei dieser Frage ist Fingerspitzengefühl gefragt anstatt reflexartiges Draufhauen.

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