Merkel und der umstrittene Emir

Berlin · Um die IS-Terroristen zu bekämpfen, braucht der Westen die Hilfe arabischer Staaten wie Katar. Dessen junger Emir ist erstmals in Berlin – und merkt schnell, dass die Deutschen ziemlich misstrauisch sind.

Otto Schily (82) hat sich kaum verändert. Der graue Haarkranz ist akkurat geschnitten, die Haltung einwandfrei. Die Scheichs schätzen den Rat des ehemaligen Bundesinnenministers, der 2005 in Doha war und dort ein Sicherheitsabkommen mit dem Emirat auf den Weg brachte. Katar stieg im Anti-Terror-Kampf gegen Al Qaida und in den Wirren des Arabischen Frühlings zum geschätzten Partner des Westens auf. Doch das Saubermann-Image hat gelitten. Während Schily und deutsche Manager in einem Hotel am Potsdamer Platz, das selbstverständlich den Scheichs gehört, ihre Kontakte pflegen, nimmt ein anderer Sozialdemokrat kein Blatt vor den Mund.

SPD-Parteivize Ralf Stegner fordert, dass Deutschland mit Ländern wie Katar, die mutmaßlich finanziell oder politisch die Terroristen vom "Islamischen Staat" (IS) unterstützten, keine Geschäfte mehr machen sollte. Auch Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU ) äußerte sich vor kurzem in diese Richtung - was im Emirat Empörung auslöste. Die Bundesregierung sprach dann von einem Missverständnis.

Der Vorwurf ist nicht neu. Neben Katar werden auch Saudi-Arabien oder die Türkei verdächtigt, den fanatischen IS-Salafisten zu helfen oder sie zumindest gewähren zu lassen. Doch es mangelt an Beweisen.

Der Emir, erst 34 Jahre alt, pariert die Unterstellungen routiniert. "Katar hat nie und wird niemals terroristische Organisationen unterstützen", sagt er bei Merkel im Kanzleramt. Wobei es zwischen Katar und dem Westen auch unterschiedliche Definitionen von Terrororganisationen gibt. So beherbergt Tamim Bin Hamad al-Thani auf seiner Insel den im Exil lebenden Chef der im Gazastreifen herrschenden Hamas , Chaled Maschaal, sowie Mitglieder der in Ägypten verbotenen Muslimbruderschaft .

Merkel gibt sich mit den Versicherungen ihres Gasts zufrieden. Sie habe "keinen Grund, den Aussagen des Emirs nicht zu glauben", sagt sie. Katar ist inzwischen der internationalen Allianz gegen den IS beigetreten, die vor zwei Wochen am Rande des Nato-Gipfels in Wales gegründet wurde. Trotzdem ist das Treffen mit dem Emir für die Kanzlerin eine Gratwanderung. Auf der einen Seite stehen die Rolle Katars im Kampf gegen den Terror und die rasant zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtungen. Das Emirat ist zu 17 Prozent an Volkswagen und knapp sechs Prozent an der Deutschen Bank beteiligt.

Auf der anderen Seite stehen Menschenrechtsverletzungen. Merkel spricht die massiv kritisierten Arbeitsbedingungen auf den Baustellen für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 "sehr deutlich" an, wie sie selbst sagt. Der Emir gelobte daraufhin gestern Besserung.

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HintergrundBundestagspräsident Norbert Lammert (CDU ), hat sich für eine stärkere Mitwirkung des Parlaments beim deutschen Engagement im Nordirak ausgesprochen. "Wenn Deutschland sich zunehmend einem konkreten Krisenmanagement nähert, empfehle ich, sich um ein Mandat des Bundestags zu bemühen", sagte der CDU-Politiker der "Rheinischen Post". Hier gehe es weniger um eine juristische Kompetenzfrage als um eine politische Abwägung. . red

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